Faszination

Über Franziskus von Assisi
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Die ebenso genaue wie redliche historisch-kritische Spurensuche lohnt sich.

Franziskus von Assisi (1181/82 - 1226) war zweifellos eine der faszinierendsten religiösen Gestalten des Mittelalters, und er ist auch heute noch präsent: Als Gründungsfigur für die franziskanische Ordensfamilie, die zu den wichtigsten Zweigen des Ordenslebens in der katholischen Kirche gehört, als Autor des „Sonnengesangs“, der auch Menschen jenseits der Kirchenmauern anspricht, als „Erfinder“ der Weihnachtskrippe. Und schließlich hat sich auch kein Geringerer als der gegenwärtige Papst durch seine Namenswahl in die Linie des Heiligen aus Assisi gestellt. Es gibt also Grund genug, dem Leben und Wirken dieses außergewöhnlichen Mannes genauer nachzugehen.

Volker Leppin, der sich in seinem neuesten Buch dieser Aufgabe gestellt hat, ist einer der renommiertesten evangelischen Kirchenhistoriker im deutschsprachigen Raum, und hat nicht zuletzt durch diverse Veröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum 2017 von sich reden gemacht. Er nähert sich Franz von Assisi nicht als Hagiograph, sondern mit dem Sezierbesteck des im wissenschaftlichen Umgang mit Quellen erprobten Historikers: Man müsse, so Leppin im einleitenden Kapitel „Der Weg zu Franz“, immer wieder um die Einschätzung der Quellen ringen und zwischen unterschiedlichen Überlieferungen abwägen. Er spricht vom „dicken Fragezeichen“, mit dem man viele Episoden aus dem Leben von Franziskus versehen könne.

Aber die so genaue wie redliche historisch-kritische Spurensuche lohnt sich. Leppin nimmt den Weg des Franz von Assisi vom reichen Kaufmannssohn zum armen Außenseiter in den Blick („Am Anfang steht nicht die klare Orientierung an Christus, sondern die klare Absage an den Vater. Erst nach und nach empfand er in Christus das Gegenbild zu dem abgelehnten Elternhaus, aus dem Bruch wurde ein Aufbruch.“).

Wichtige Ereignisse im nicht allzu langen Leben des Heiligen werden sorgfältig nachgezeichnet, so die Begegnung mit Papst Innozenz III. im Jahre 1209, die die kirchliche Anerkennung der neuen Gemeinschaft brachte, und das spektakuläre Treffen mit dem muslimischen Sultan al-Malik al Kamil in Ägypten. Leppin geht auf die ersten Gefährten von Franziskus ein und hebt seine selbstverständliche Einordnung in die Kirche als Unterschied zu „häretischen“ Spielarten der hochmittelalterlichen Armutsbewegung hervor: Franz habe sehr klar aufseiten der Kirche und ihrer offiziellen Sakramente gestanden.

Auch die aus heutiger Sicht eher sperrigen Seiten des Mannes aus Assisi kommen zur Sprache, etwa die Drohung mit dem ewigen Höllenfeuer als Bestandteil seiner Verkündigung oder der Umgang mit dem Thema Sexualität. Sie habe für ihn nicht in jene Bereiche der guten Schöpfung gehört, „die er so innig preisen konnte, sie wurde ihm zu einer Gefährdung, die der Teufel selbst sich zunutze machen konnte, und deren Wirkungen es daher mit aller Macht zu meiden galt.“ Leppin verweist auch darauf, dass der auf seine Initiative entstandene Orden Franziskus bald über den Kopf gewachsen sei und spricht von der Einsamkeit in dessen letzten Jahren.

Das Fazit des Tübinger Kirchenhistorikers: Er konstatiert, es sei schwer, Franziskus festzulegen und hebt die Franziskus prägende Spontaneität hervor. Durch die einzelnen Versatzstücke seiner Persönlichkeitsstruktur spüre man das „Charisma, das andere mitriss“, jedoch dazu geführt habe, dass Franziskus „selbst aber nicht zu Ruhe fand“. Leppins Biographie des Franziskus von Assisi ist wohltuend nüchtern gehalten, ausnehmend gut geschrieben und vermittelt dabei viel von der bleibenden Faszination dieses besonderen Mannes aus dem Mittelalter. Das ist eine ganze Menge.

Ulrich Ruh

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