Spannung

Theologie in der Diakonie
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Für die Väter und Mütter der Diakonie war die Theologie stets maßgebendes Motiv für ihr soziales Engagement. Die Bindung an die Bibel und eine geistliche Gemeinschaft prägten den gemeinsamen Dienst. Doch die Rolle der Theologie in der institutionellen Diakonie ist längst nicht mehr selbstverständlich. Geistliches Personal gibt es nur noch selten, stattdessen prägen Ökonomisierung und eine weltanschaulich pluralistische Mitarbeiterschaft das Bild heutiger Einrichtungen. Als Paukenschlag gilt das EuGH-Urteil vom 17. April 2018, welches das kirchliche Selbstbestimmungsrecht insofern beschneidet, dass die kirchliche Mitgliedschaft als Einstellungskriterium für viele Stellen begründungsbedürftig wird. Die Rolle der Theologie selbst ist damit begründungsbedürftig geworden, ihr Platz im Unternehmen wird nicht mehr als gegeben vorausgesetzt. Der Sammelband Theologie für Diakonie-Unternehmen ist somit keine Selbstvergewisserung von Theologen oder eine nostalgische Rückschau auf die theologischen Begründungen alter Tage, sondern behandelt eine aktuelle Fragestellung. Die 13 Beiträge, sowie drei Kommentare, bündeln die Erfahrungen und Reflexionen von leitenden Theologen und Theologinnen aus der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe und bietet einen Überblick über die verschiedenen Integrationsformen von Theologie in die Gestaltung diakonischer Unternehmen. Eine Reihe von Autoren sehen in der Theologie ein normatives und kulturprägendes Deutungsinstrument. Theologen sind immer seltener Führungskräfte, ihren Auftrag erkennt Markus Dargel zunehmend in einer „inhaltlich sinngebenden Leistungserbringung“, zum Beispiel im Bereich der Bildung, Gestaltung einer Unternehmenskultur, sakrale Handlungen oder Seelsorge. Dabei bleibt es Aufgabe von christlich motivierten Führungskräften, als Vorbild voranzugehen, die eigene Spiritualität authentisch zu leben und die Theologie in die multidisziplinären Entscheidungsfindungsprozesse des Unternehmens einzubeziehen. Dierk Starnitzke, Theologischer Vorstand der diakonischen Einrichtung Wittekindshof, unterstreicht die Bedeutung theologischer Bildung von allen Führungskräften. Nur wenn die Leitung die christlichen Werte versteht und lebt, könne sie aus dem christlichen Kern heraus Entscheidungen fällen, die über ökonomische Abwägungen hinausgehen. Dabei darf die Theologie jedoch nicht in die Falle tappen, so Thorsten Nolting, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Düsseldorf, das Unternehmerische unkritisch hinzunehmen oder gar zu sakralisieren, stattdessen muss sich die Theologie konstruktiv, aber auch kritisch einbringen. Diakonie braucht nicht primär Theologinnen und Pfarrer, sondern die Kirche, so Thomas Lunkenheimer von der Diakoniestiftung Salem. Diese Verbindung werde durch Geistliche in der Leitung unterstrichen und gestärkt. Auch der Wuppertaler Diakoniedirektor Martin Hamburger sieht eine theologische Leitung als Garanten für das diakonische Profil, das auf den Grundauftrag der Einrichtung hinweist. Die einzelnen Beiträge zeugen von einer Spannung, die in den Abschlusskommentaren aufgenommen wird: Zeigt sich die Theologie primär durch geistliche Amtsträger oder in einer diakonischen Kultur? Wie gestaltet sich das Verhältnis zur verfassten Kirche? Hier offenbart sich, dass die Diskussion um die Rolle der Theologie nicht abgeschlossen ist. Der Sammelband zeigt, dass die Rolle der Theologie in diakonischen Unternehmen nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, beweist aber durch zahlreiche Praxisberichte, dass sie dort, wo sie aktiv in die Unternehmensgestaltung integriert wird, eine Fülle an Schätzen bietet, die es sich zu heben lohnt.

Markus Höfler

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