Fröhlich(es) Genie gefeiert

Variantenreicher Auftakt des Karl-Barth-Jahres in der Universität Basel
Eröffnung des Karl-Barth-Jahres in Basel: Vortragsredner Georg Pfleiderer. Foto: Johannes Voigtlände
Eröffnung des Karl-Barth-Jahres in Basel: Vortragsredner Georg Pfleiderer. Foto: Johannes Voigtlände
Über vier prallvolle, lebendige, heitere Stunden lang wurde der berühmte Theologe Karl Barth an seinem 50. Todestag in einem zweiteiligen Festakt gewürdigt.

Hat sie den Schalk ihres Großvaters geerbt? Vielleicht, auch wenn Verena Peter-Barth droben auf der Bühne zu weit entfernt stand, als dass der Betrachter denselben in ihren Augen hätte blitzen sehen können. Doch aus den Tönen, die die virtuose, hochmusikalische Flötistin mit Klaus Rupprecht (Klavier) produzierte, sprang der Schalk einem genauso entgegen wie aus der einzigen Ansage, die die Enkelin von Karl Barth an diesem Tage machte: Nach den ersten beiden Werken beruhigte sie das Auditorium. Ja, es käme auf jeden Fall noch etwas von Mozart, aber zuerst hätten sie sich vom Namen des Großvaters inspirieren lassen und Werke von Bela Bartok gespielt, und jetzt folge ein Stück von Samuel Barber …

Peter-Barth und Rupprecht rahmten den Beginn des Karl-Barth-Feiertages am 10. Dezember, dem 50. Todestag des großen Theologen und „Kirchenvater des 20. Jahrhunderts“, in der Aula der Universität Basel, an dessen Beginn ein fulminanter Vortrag standen. Georg Pfleiderer, Ordinarius für Systematische Theologie und Präsident des Karl-Barth-Zentrums für reformierte Theologie an der Universität Basel, führte eine halbe Stunde sehr unterhaltsam und tiefschürfend in Barths Denken und Werk ein: Auf keinen Fall dürfe ein Barthgedenken „nostalgisch“ daherkommen. Vielmehr gelte, so Pfleiderer: „Barth war kein Konservativer. Weder damals, noch sonst irgendwann in seinem Leben, auch wenn sein späteres Werk oft so verstanden und er heute von Gegnern und Freunden nicht selten so gesehen wird.“

Das Besondere an Barths Theologie sei, dass sie „auf mehreren Ebenen funktioniere“, dass sie eine „überaus scharfsinnige, (…) erkenntnistheoretische Grundstruktur“ habe, die „hochkomplexe Gesamtkonstruktionen“ erzeuge, zum Beispiel die Versöhnungslehre.

Im Rückblick, so Pfleiderer, markiere Barths Werk ein „neues Verständnis von Theologie, das den wissenschaftlichen Elfenbeinturm in der Tat verlässt und sich mit den kritischen, radikal-kritischen Kräften aus Religion, Künsten und Politik verbündet, sich von diesen aber auch wiederum distanziert und die Bibel als Quelle eigener, neuer theologischer Orientierung ernst nimmt“. Davon könne „unsere heutige Theologie, die durchaus aus guten Gründen wieder stark wissenschaftsorientiert ist“, viel lernen.

Herausragendes Lebenswerk

Es folgte die Verleihung des Karl-Barth-Preises an Bernhard Christ durch den Vorsitzenden der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK), den pfälzischen Kirchenpräsidenten Christian Schad. Schad betonte, dass der Karl-Barth-Preis nicht nur an Persönlichkeiten verliehen werde, die durch ein herausragendes Lebenswerk auf dem Feld der wissenschaftlichen Theologie hervorgetreten seien, sondern auch an solche, „deren Wirken in Staat und Kirche beispielhaft für die Position der im Jahre 1934 von Karl Barth maßgeblich verfassten Barmer Theologischen Erklärung“ sei.

Bernhard Christ, seit Jahrzehnten als Anwalt in Basel tätig, habe in vorbildlicher Weise und mit großem persönlichen Einsatz als ehrenamtlicher Präsident der Basler Karl-Barth Stiftung entscheidend dazu beigetragen, das „ambitionierte Projekt der Gesamtausgabe der Schriften Karl Barths zusammen mit dem Schweizer Nationalfonds so zu verstetigen, dass es bis heute kontinuierlich weitergeführt und auf höchstem editorischen Niveau gehalten werden kann“, rühmte der Basler Kirchenratspräsident Lukas Kundert in seiner Laudatio das Wirken des 76-Jährigen. Dies sei aber eigentlich nur ein kleiner Teil der zu rühmenden Verdienste des Preisträgers, denn Christ habe als kreativer Jurist dafür gesorgt, dass es bei der „Totalrevision“ der staatlichen Verfassung des Kantons Basel gelungen sei, „das staatliche Rechtskleid“ auch für andere Religionen, zum Beispiel für Muslime, Hinduisten und Buddhisten, zu schneidern. Das, so Kundert, zeige gerade Christs Besonderheit: „In vielen theologischen Einzelfragen und gottesdienstlichen Anliegen ein überzeugter Kämpfer für klare protestantische Formen im Rahmen der Überlieferung unserer Vorfahren, ist er politisch dann doch liberaler als die meisten links und rechts von ihm es seien wollen.“

Diese spezielle, dezidierte Liberalität charakterisierte Kundert mit der Erinnerung an eine gemeinsame Kirchenratssitzung der Kantonskirche von 2009, in der entschieden werden musste, ob anlässlich des Klimagipfels in Kopenhagen die Kirchen läuten sollten. Bernhard Christ habe die damalige Sitzung mit einem Bonmot von Karl Barth eröffnet, nach dem das Läuten von Kirchenglocken, „ohne, dass sie zum Gebet rufen“, schlicht nur „religiöser Lärm“ und einer Kirche „nicht würdig“ sei.

Nach der Preisverleihung, den ersten knapp 90 Minuten des großen Barthspieles zu Basel, verfügte sich ein Großteil der mehr als 200 Gäste in die nahegelegene Universitätsbibliothek, wo die neu konzipierte Karl-Barth-Ausstellung der Eröffnung harrte. Vorher allerdings galt es viele, sehr viele Grußworte zu hören, was die Veranstaltung beträchtlich in die Länge zog. Jedoch war den Rednern – jedem auf seine Weise – großes Engagement und teilweise auch große Originalität nicht abzusprechen.

Gelungen auf jeden Fall die pointierte Präsentation des großen Barth-Bildbandes durch Peter Zocher, den Leiter des Karl-Barth-Archivs, der seine pointierten Ausführungen mit einer Slideshow untermalte, in der er Karl Barth unter anderem als Pferdeflüsterer präsentierte. Und sehr zu loben auch die einzige (!) offizielle Rednerin des Abends, die Szenografin Pia Schwarz, die sich nicht nur erfrischend kurz fasste, sondern überdies den interessanten Dokumenten der Ausstellung und weiteren Artefakten eine äußerst sehenswerte und eindringliche künstlerische Umsetzung hatte angedeihen lassen. Sehr originell beispielsweise das weiße Zelt mit einer begehbaren Kirchlichen Dogmatik. Keine Frage, Karl Barth hätte seine Freude gehabt!

Information

Ausstellung: Karl Barth – Professor, Prediger, Provokateur. Universitätsbibliothek Basel, Schönbeinstrasse 18–20 (1. Stock). 10. Dezember 2018 bis 8. März 2019, Montag bis Freitag, 8.00–22.00 Uhr, Samstag 9.00–19.00 Uhr, Eintritt frei.

Reinhard Mawick

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