Verständlich

Bekenntnisse in der Spätantike
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Gut verständlich, manchmal etwas ausufernd und redundant.

Der Oxforder Spätantike-Kenner Robin Lane Fox schreibt eine Biografie der ersten Lebenshälfte des großen nordafrikanischen lateinischen Kirchenvaters Augustinus (354 - 430 n. Chr.). Er folgt dabei den Spuren der diesen Zeitraum bis 397 erfassenden Confessiones, der Bekenntnisse, unter Berücksichtigung auch der bis dahin vorliegenden anderen Texte Augustinus’. Zum Vergleich nutzt er gelegentlich die Lebenswege zweier Zeitgenossen: des vierzig Jahre vor Augustinus in Antiochien/Syrien geborenen Libanios (ein „heidnischer“ Rhetor, zu dessen Schülern Chrysostomos gehörte) und des zwanzig Jahre nach Augustinus im nordafrikanischen Kyrene geborenen Bischofskollegen Synesios.

Die großartige literarische Leistung der Confessiones als erster und einzigartiger Autobiografie der Geschichte würdigt Fox und macht sie allen Gebildeten unabhängig von ihrer Konfession zugänglich. Seiner plausiblen Argumentation zufolge ist sie als Zwischenbilanz in einer Atempause in der Mitte des Lebens Augustinus’ vor Beginn seiner dreißigjährigen Tätigkeit als Bischof von Hippo Regius entstanden und nie ergänzt worden.

Fox stellt mehrere „Bekehrungen“ des von seiner frommen Mutter Monnica erzogenen Augustinus kenntnisreich vor: vom Rhetoriklehrer dank Ciceros Hortensius zum Philosophen, dann zum Manichäer, über den Neuplatonismus Plotins zu Paulus, dessen Lektüre ihn dann im Mailänder Garten auch von der Notwendigkeit einer Abkehr „von allen fleischlichen Begierden“ überzeugt, der sich von Ambrosius taufen lässt und nach einem bewegenden Abschied von seiner Mutter Monnica in Ostia zurück in Nordafrika ins erst ungeliebte Priester- und Bischofs-amt gedrängt wird.

Die Darstellung ist gut verständlich, manchmal etwas ausufernd und redundant, die umfangreiche Fachliteratur in den Anmerkungen knapp charakterisiert und bewertet. 33 gut ausgewählte Abbildungen ergänzen den Text.

Fox tritt allerdings nicht in ein Gespräch mit Augustinus ein. Er stellt nur fest, dass Augustinus seine Autobiografie als Gebet, als Gespräch mit seinem Gott gestaltet, den er auf Umwegen durch viele Bekehrungen hindurch gefunden hat und von dem er sich rückblickend auf all seinen Wegen und Irrwegen geführt weiß. Und dass er andere an seinem Gespräch teilhaben lässt; denn er spricht nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern - so Fox - diktiert seinem Sekretär das, was er seinem Gott zu sagen und zu verdanken hat und was nun auch die Öffentlichkeit erfahren kann.

Wenn Fox einmal ein Gebet Augustinus’ „eine virtuose Vorstellung“ nennt, so drückt dies seine Bewunderung und sein Unverständnis gleichermaßen aus. Denn Augustinus, dessen Glauben Fox nicht teilt, meint, über sein Leben nur in der Form des Gebets reden und schreiben zu können. Der Schlüssel dafür könnte in den Worten des - auch nach Fox’ Meinung von ihm so sehr geschätzten und oft gelesenen - Paulus zu finden sein: „Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt worden bin“ (1. Korinther 13,12). Gott kenne ihn besser als er sich selbst, meint Augustinus. Darum muss er mit Gott reden, um angemessen von seinem Leben erzählen zu können.

Deshalb empfiehlt es sich, Augustinus nebenbei selbst zu Wort kommen zu lassen.

Ulfried Kleinert

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