Praxisnah

Kirchliches Singen heute
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Der Band ist von der Liebe zum gemeindlichen Singen durchzogen und bietet einen gut zu lesenden Querschnitt durch aktuelle hymnologische Fragestellungen.

Schon immer war die Kirche eine singende, so heißt es in einem bekannten Choral: „Gott loben, das ist unser Amt“. Stimmt das heute noch und wenn ja, wie? Diesen Fragen geht die vorliegende Aufsatzsammlung nach. Denn heutiger kirchlicher Gesang bewegt sich zwischen dem „Overflow“ des endlosen Lobpreises moderner Formen und der liturgischen Zumutung bei einem Bestattungsgottesdienst, in dem niemand singen will und kann und es vielfach nicht geschieht. So konstatiert Stephan A. Reinke in seinem Beitrag zum Gesang bei Kasualien: Singen ist weder alternativlos noch heilsnotwendig. Es gibt viele andere Möglichkeiten, gottesdienstliche Feiern musikalisch zu gestalten.Doch natürlich ist der Band von der Liebe zum gemeindlichen Singen durchzogen und bietet einen gut zu lesenden Querschnitt durch aktuelle hymnologische Fragestellungen.

Zu Beginn werden die Aufgaben des Singens in verschiedenen kirchlichen Arbeitsfeldern beleuchtet: mit Konfirmandinnen und Konfirmanden, im Religionsunterricht, in der Seelsorge. Jedoch gibt es vielerorts auch Versuche, interreligiös zu singen. Einige davon hat Verena Grüter unter der Überschrift „Einstimmen in den Dialog“ reflektiert: Gemeinsame leiblich-ästhetische Erfahrungen können zu einer ethischen Haltung heranwachsen, die über die Brücke der Transzendenz zur Liebe zum Fremden führen kann.Nicht nur mit Fragebögen, sondern auch mit der Filmkamera hat Jochen Kaiser die emotionalen Erfahrungen gottesdienstlichen Singens analysiert. Welche Arten von Liedern und ihrer Begleitung begeistern, welche beruhigen, welche misslingen? Hier fasst er die Ergebnisse seiner umfangreichen empirischen Studie nicht nur zusammen, sondern lässt sie auch in konkrete Vorschläge für gelingenden Gemeindegesang münden.Solche Empfehlungen prägen den dritten Teil des Buches.

Bernhard Leube steuert ein Plädoyer für stilübergreifende Kernliederlisten und ihre Praxis als „elementarer Klaviatur des Glaubens“ bei. Was ist eigentlich Lobpreis- oder Praise-Musik? Peter Bubmann unterscheidet schlüssig zwischen allgemein doxologischer Musik aller Zeiten, der funktionalen Anbetungsmusik charismatischer Gottesdienste und der kommerziellen Sparte religiöser Popmusik. Näher beleuchtet er die zweite Gruppe mit der Frage, ob es sich bei ihrer Verbreitung in landeskirchlichen Gemeinden um „echte“ Erweckung oder „bloßen“ religiösen Zeitgeist handelt. Eine eindeutige Antwort liefert er nicht, benennt das Phänomen jedoch als religiöses „Neo-Biedermeier“, also als Rückzug in die fromme Innerlichkeit angesichts des Konkurrenzkampfes in der spätmodernen Dienstleistungsgesellschaft. Praise-Musik biete Chancen, mit gefälligen Melodien vielfältigere Milieus zu erreichen als mit klassichem Gemeindegesang oder kirchentagsgeprägtem Sacropop. Jedoch seien bei den Praise-Texten vielfach theologische und ethische Defizite zu beklagen, die das Evangelium nicht verantwortlich aktualisierten. Bubmann tritt für einen bewussten Streit um die doxologische Dimension der Kirchenmusik generell ein und für eine Qualitätsoffensive in Sachen Lobpreisung.

In „Orgel und Gemeindegesang - Lamento und Loblied“ bietet Konrad Klek eine schonungslose Kritik mancher Organistenpraxis, aber auch Chancen und Auswege für ein zum Singen animierendes Orgelspiel. Praktische Hinweise zum Singen im Gottesdienst runden den handlichen Band ab. Die gut zusammengestellten systematisch-konzeptionellen Überlegungen, der Blick auf empirische Studien und konkrete Tipps für die Praxis helfen dabei, den Gesang als Äußerung der Freiheit heutiger Christenmenschen zu fördern.

Gudrun Mawick

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