Schöner wohnen

Hinreißend: The Shacks
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Die Stimme von Shannon Wise klingt, wie Audrey Hepburn in ihren Filmen blendend aussah.

Drei junge Männer mit Vorglühpils laufen von der S-Bahn zu Freunden oder einer Party, in die Kneipe, einen Club. Sie tragen volle, gestutzte Bärte, reden laut. Auf dem Bürgersteig weichen sie aufmerksam aus. Eine Rasierwasserfahne steht lange noch hinter ihnen. Dreifältiger Duft, heute üblich. Mode hilft, Identität zu formulieren, akzentuiert die Suche danach. Popmusik funktioniert ähnlich. Der Bedarf wächst ja ständig nach. Und über den Modeaugenblick hinaus werden manche Popalben zu Einrichtungsgegenständen, die bis ins Alter hinein begleiten, so sehr digitalisierter Konsum dies nun auch schwerer fassbar macht als zu Zeiten physischer Tonträger.

Das Album „Haze“ der blutjungen New Yorker Band The Shacks könnte solch ein Trabant für viele werden, ein Hit, ein Treffer. Das große Pfund der Platte ist ihr markanter Sound - entspannt, rauchig, mild. Er speist sich aus psychedelischem Pop, Soul und Vokalgruppen der 1960er Jahre. Gitarrist Max Shrager und Sängerin und Bassistin Shannon Wise kennen sich da bestens aus und mögen wie Drummer Ben Borchers den Klang analoger Aufnahmen. Wie sie ihre Vorlieben inszenieren, fällt charmant retromodern aus dem Rahmen, zugleich zeitlos und up to date. Die 13 Songs sind unterschiedlich angelegt, doch der Sound schafft ein unverkennbares Gesicht - ähnlich wie das legendäre Bossa Nova-Album „Getz/Gilberto“ (jenes mit The Girl from Ipanema), das auch noch in so manchem Plattenregal steht.

Die Stimme von Shannon Wise klingt, wie Audrey Hepburn in ihren Filmen blendend aussah. Sie singt verhaucht, teils verschliffen, mädchen- und elfenhaft, flüsternd, fragend, verführerisch. Doch Vamp oder Lolita ist sie nie, verzaubernd esoterisch schon eher. Wie The Shacks ihren Klangteppich knüpfen, erinnert an die Dukes of the Stratosphear aus den 80ern. „Haze“ perlt und umschmeichelt, ist erlöst und freundlich bekifft, wobei betörende Keyboards den letzten Schliff liefern - bis hin zur guten alten Schweineorgel. Die Band weiß genau, was sie tut, und profitiert hörbar von der Zusammenarbeit mit dem gestandenen Produzenten Leon Michels. Sie setzen auf eigenes Songwriting, aber Erzähler ist vor allem dieser wunderbare, mit solider Handarbeit erreichte Sound. „Wir möchten, dass die Leute sich wieder von echter Musik packen lassen“, sagt Shacks-Gitarrist Max Shrager, „von dem, was zwischen uns passiert, in unserem Leben, im Studio, im Augenblick.“

Dieses Bemühen um Aufrichtigkeit in Klang zu bannen gelingt ihnen beeindruckend. Sie schöpfen dabei aus besagten älteren Quellen, Kalkül oder gelacktes Konstruieren spürt man jedoch nie, sondern stattdessen Begeisterung und Können. „Haze“ ist Musik, die man gern in der Wohnung hat, auf Partys trifft oder zum Spaziergang mitnimmt - wohin auch immer.

Udo Feist

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