Widerstand leisten

Mit klarer Haltung gegen Rassimus und Antisemitismus
Den Antijudaismus überwinden zeigt sich als fortdauernder Lernprozess.

In diesem Monat erhält ein lutherischer Pfarrer den Paul Spiegel Preis. Das ist eine Kolumne wert. Der Zentralrat der Juden verleiht diesen Preis seit 2009 für Zivilcouragein Erinnerung an seinen früheren Präsidenten und dessen Engagement gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Es ist beschämend, dass wir dieses Engagement in Deutschland weiterhin brauchen, ja vielleicht mehr denn je benötigen. Es ist jetzt oft ein allzu leichtes Argument, zu erklären, es seien allein die Zuwanderer aus muslimisch geprägten Gesellschaften, diehierfür verantwortlich sind. Ja, das müssen wir bearbeiten. Aber Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus hat es in Deutschland nach 1945 immer gegeben. Jüdische Einrichtungen werden überall von Polizeikräften geschützt. Aber nach dem alten Kirchenlied „Unglaub und Torheit brüsten sich frecher jetzt als je“ kommen diese Themen wieder aus den Löchern gekrochen, Tabus werden gebrochen, „man wird ja nochmal sagen dürfen“ bricht sich Bahn. Da braucht es eine klare Haltung im Alltag, die nicht mit einem Tag eine Kippa tragen erledigt ist. Es ist bemerkenswert, dass ein lutherischer Pfarrer diesen Preis erhält. Zum Reformationsjubiläum 2017 haben wir uns als Evangelische Kirche in Deutschland endlich mit dem Antijudaismus Martin Luthers auseinander gesetzt. Das war ein schwerer Weg für viele, die „ihren“ Reformator dadurch irgendwie „beschmutzt“ sahen. Aber Luther selbst wusste: Jeder Mensch ist simul iustus et peccator, also Gerechter und Sünder zugleich. Er selbst irrte, als er Juden massiv angriff, ihre Synagogen verbrannt wissen wollte. Ein furchtbares Erbe, das von den Nationalsozialisten Jahrhunderte später als Legitimation für ihr Morden benutzt wurde.Dass sich die Synode der ekd 2015 einstimmig und klar von Luthers Judenschriften distanziert hat, hat wohl auch den Weg frei gemacht, das Engagement eines lutherischen Pastors so zu würdigen. Den Antijudaismus überwinden zeigt sich als fortdauernder Lernprozess. Der Preis ist eine Ermutigung für alle Kirchengemeinden. Pastor Manneke sagt, er habe sich Thema und Engagement nicht ausgesucht, es sei im vor die Füße gefallen. In der Lüneburger Heide tummeln sich Neonazis, Unterlüß ist schlicht eines der Dörfer,die das erleben. Da werden Kameradschaften gebildet, weil es kaum andere Angebotegibt.Dagegen wurde die „Initiative für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ gegründet. Aus Anlass von Sonnenwendfeiern wurden Gegendemonstrationen organisiert. Als ein Hotel für Veranstaltungen gekauft werden sollte, wurde das durch gewaltfreie Aktionen verhindert. Im Grunde sind das alles wunderbare Weiterführungen des Engagements von Martin Luther King, an dessen 50.Tag der Ermordung wir 2018 denken: Gewaltfreier, aber klarer und christlich motivierter Widerstand gegen rassistisches Gedankengut. Kleine Schritte mit großer Wirkung, die überall im Land gefragt sind. Lieber Pastor Manneke: Glückwunsch zum Paul-Spiegel-Preis!

——Margot Käßmann ist Botschafterin des Rates der EKD für das Refor-mationsjubiläum und Herausgeberin von zeitzeichen.

Margot Käßmann

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