Neue Wege

Orgelreisen mit Fantasie
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Ein improvisierendes Fischen und Ergründen in den musikalischen Weltmeeren, das die klassische Kirchenorgel als Barke nimmt...

Obsidian ist das erste Soloalbum des britischen Improvisationsmusikers Kit Downes, der als Organist und Pianist als eines der herausragenden Jazztalente Großbritanniens gilt und schon bei etlichen Größen des Jazz an Piano und Orgel reüssiert hat. Im Zugang auf die Instrumente hört man Kit Downes als Bruder im Geiste etwa von Volker Jaekel (Berlin), Daniel Stickan (Lüneburg, oft im Duett mit Uwe Steinmetz), Andreas Mücksch (Halle an der Saale) oder auch Jens Goldhardt (Gotha, oft im Duett mit Ralf Benschu) - genauso hört man ihn in den Registrierungen die Artrock-Hammondsounds der 60er und 70er aufnehmen, wie sie von Procol Harum, dem legendären John Lord von Deep Purple und Keith Emerson von Emerson, Lake and Palmer oder auch bei Urbesetzung der Stern Combo Meißen mit Norbert Jäger und Thomas Kurzhals zu hören sind.

Ist Obsidian tatsächlich eine Jazz-CD? Oder ist sie in ihren teilweise dekonstruktiven Fantasien etwa von dem bekannten Traditional „Black Is The Colour“ (genial von Nina Simone, Joan Baez oder Christy Moore) eher ein improvisierendes Fischen und Ergründen in den musikalischen Weltmeeren, das die klassische Kirchenorgel als Barke nimmt und deren Möglichkeiten erprobt.

Kit Downes nutzt drei unterschiedlich große Instrumente. Als erstes hört man mit dem weitgreifenden Eingangsstück „Kings“ die große dreimanualige Orgel der Londoner Union Chapel. Dann geht es nach Suffolk in die Church of St. John the Baptist in Snape, wo Downes auf einer zweimanualigen Orgel spielt. Schließlich ist noch das einmanualige Instrument in der St Edmund’s Church in Bromeswell zu hören. Downes begegnet jedem dieser Instrumente mit der gleichen Hingabe, spielt leichtfingrig mit ihren Möglichkeiten und offenbart mit jedem neuen Stück, was ihn an dieser Orgelreise so reizt: das Kreieren von Landschaften, das Skizzieren schroffer Welten mit großer klanglicher Geste ebenso wie des pittoresken Idylls in flanellweicher Pastellzeichnung. Manche Idee dreht sich um sich selbst, wandert spielerisch und selbstverloren hin und her und hat die Flüchtigkeit nachmittäglicher Wolkengebilde. In einem sehr gelungenen Duett mit dem Tenorsaxophonisten Tom Challenger erklingt „Modern Gods“, dessen Weltentaumel sowohl einen Leiermann im Drehorgelgestus wie einen gezielt seine melismatisch und chromatisch sich auftürmenden Kapriolen setzenden Eulenspiegel zeichnet. Hier weitet sich das Klangbild über die bisherigen Horizonte hinaus. Die reinen Improvisationen wie „Seeing Things“ oder der Zyklus „Rings Of Saturn“ wechseln zwischen Spannung und Erwartbarkeit. Nicht immer füllen sich die Krüge des Klanges mit gleicher thematischer Dichte. Aber langweilig wird es nie.

Klaus-Martin Bresgott

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