Fragwürdig

Neue Geschichte der Religionen
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Im Unterschied zu den lesenswerten älteren Büchern des Autors ist die Lektüre dieses Buches nicht empfehlenswert.

Eine Geschichte der Religionen von der Steinzeit bis heute vorzulegen, ist ein mutiges Unternehmen, wie Bernhard Maier auch selber bemerkt. Tatsächlich sind nach der von Mircea Eliade in fünf Bänden publizierten Geschichte der religiösen Ideen (1976 ff) solche Gesamtdarstellungen aus einer Hand eher selten verfasst worden.

Als ein Problem hebt Maier hervor, dass die zahlreichen spezialisierten Einzelstudien von keinem Forscher mehr überblickt werden könnten. Als weitere Probleme sieht er Fragen, wie die einer „angemessenen Periodisierung der Religionsgeschichte, nach einer objektiven Gewichtung des Stoffs, nach der relativen Geltung zentraler Deutungskategorien und nach der Berechtigung kausaler Erklärungen religionsgeschichtlicher Entwicklungen“. Doch werden diese Fragen in seinem Buch kaum erörtert. Zudem hält er sich weder an die Chronologie - Grundlage einer jeden Geschichtsschreibung, so dass die Darstellung der einzelnen Religionen wiederholt abgebrochen und an anderer Stelle fortgeführt wird, noch geht er geografisch vor. Der Zusammenhang der Geschichte der einzelnen Religionen, ihrer Lehren und Praktiken wird dadurch undurchsichtig. Ferner räumt der Verfasser der politischen Geschichte, die unbestritten eine wichtige Rahmenbedingung für ein Verständnis der Religionen ist, zu viel Raum ein, so dass man den Eindruck erhält, hier werde eine Weltgeschichte mit ausführlichen Bemerkungen zu den Religionen vorgelegt.

Über die einzelnen Religionen freilich erfährt man zu wenig. Das ist auch dem Aufbau des Buches geschuldet, der „bestimmte Phänomene und religionsgeschichtliche Entwicklungen“ ins Zentrum rückt. Wichtige Grundbegriffe der Religionen werden gar nicht erläutert. Ein Beispiel: Ein Bedürfnis nach Erlösung taucht in den Ausführungen zum Jainismus auf, ohne dass die Bedingungen der Ausbildung eines solchen Bedürfnisses thematisiert werden und die, damit verbundenen, weitreichenden Änderungen der Religionen ins Blickfeld kommen. Natürlich kann man die Auffassung vertreten, daß Erlösung schon immer ein Thema der Religionen war, aber dies hätte im Einzelnen dargelegt werden müssen.

Ebenso wird der Begriff „Weltreligionen“ ohne Berücksichtigung seiner Mehrdeutigkeit verwendet. Als „Weltreligionen“ kann man Religionen nach ihrer Ausbreitung in der ganzen Welt ansehen oder Religionen, die sich der Welt und ihrer Gestaltung zugewandt haben.

Die Transformation des Opferkultes, der ohne Zweifel mit Anrufungen der Götter und Gebeten verbunden war, in einen Wortgottesdienst, der ins Zentrum des Kultes die Lesung aus den dann für heilig erklärten Schriften und deren Auslegung in einer Predigt setzte, wie sie im Judentum nach der Zerstörung des Tempels, im frühen Christentum und inzwischen auch von anderen Religionen adaptiert wurde, wird nicht einmal erwähnt. Diese Transformation des Kultus hatte jedoch weitreichende Konsequenzen, nicht nur für die Qualifikationen und Ausbildung der religiösen Amtsträger, sondern auch für das Selbstverständnis der Religionen selber. Eine Erörterung des Begriffs „Religion“ vermisst man ebenso. Da es aber ein Problem darstellt, was begründet als Religion reklamiert werden kann, ist eine Erörterung dieser Frage in unserer Zeit, in der mit der Auszeichnung Religion in den meisten Ländern Rechte und Pflichten verbunden sind, dringend erforderlich.

Ein Unterschied zwischen Religion und Magie wird ohne Erläuterung irgendwie ebenso vorausgesetzt wie sein innerreligiöser polemischer Charakter. - Es überrascht nicht, wenn Bernhard Maier im Schlusswort als Zitat schreibt, dass der „Wert der Wissenschaft“ in dem bestehe, „was sie Dir selbst bietet“. Nun war und ist Religion eine kollektive kulturelle Schöpfung, auch wenn es in ihrer Geschichte immer wieder rein individuelle Formen gegeben haben mag. Eben deshalb kann die kollektive Seite von Religionen nicht ohne Schaden anzurichten ausgeblendet werden. Im Unterschied zu seinen lesenswerten Büchern Religion der Kelten (2001) und Religion der Germanen (2003), ist die Lektüre dieses Buches nicht empfehlenswert.

Hartmut Zinser

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