Staubtrocken

Theologie im Sozialismus
Die geleistete Arbeit an diesem Buch ist zweifellos verdienstvoll und zeugt von ausgiebiger Sammeltätigkeit.

Staubtrocken ist die Lektüre dieses Buches. Es enthält auf mehr als 300 Seiten nur wenig fließenden Text; und dieser besteht fast ausschließlich aus Zitaten anderer Autoren. Die eingestreuten Schaubilder bieten auch wenig Abwechslung, sind es doch in der Regel wenig ergiebige Statistiken und Grafiken, deren Legenden so klein gedruckt sind, dass man sie mit der Lupe entziffern muss.

Doch darin erschöpft sich das Urteil über dieses Buch nicht. Der zweite Untertitel sollte falsche Lesererwartungen bremsen. Es handelt sich nämlich hier um das „Zwischenergebnis auf dem Wege zu einem Handbuch“, zu dem die Autoren um weiterführende Hinweise und Korrekturen bitten. Es fällt auch auf, dass sich die Autoren wenig eigene Recherche geleistet und sich meist auf die Kompetenz und Zuverlässigkeit ihrer zitierten Referenten verlassen haben.

Der Rezensent hat beispielsweise selbst von 1958 bis 1963 an der Theologischen Fakultät in Jena studiert. Dort musste er nicht an einem „zweistündigen gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht“ teilnehmen, wie es heißt. Stattdessen hörte er sachkundige Vorlesungen über Staats- und Völkerrecht bei Gerhard Riege und Michael Kohl, später erster diplomatischer Vertreter der DDR in Bonn. Und er fragt sich, warum die Zahlen der Studierenden an den Theologischen Fakultäten meistens erst ab 1974 angegeben werden, wenn das überhaupt so wichtig erscheint. Waren frühere Zahlen nicht aufzutreiben?

Auch begrifflich wird nicht immer zutreffend differenziert. Die theologischen Ausbildungsstätten für Spätberufene und Laienprediger werden unter dem Namen „Predigerseminare“ subsummiert. Dabei war die Bezeichnung doch für die Vikars-ausbildung der Landeskirchen vor dem zweiten oder Kirchenexamen reserviert. Diese werden erst danach, in Kapitel B2, mit durchaus zutreffender Umschreibung aufgeführt. Immerhin werden die kleinen Ausbildungsstätten der anderen christlichen Glaubensgemeinschaften, die erst nach hartnäckigen Auseinandersetzungen mit dem Regime arbeiten durften, und die theologischen Ausbildungsinstitute, Verlage und Arbeitsgremien der Römisch-Katholischen Kirche mit wichtigen Fakten aufgeführt.

Bemerkenswert ist, dass die Autoren die vielen kleinen Forschungseinrichtungen und Studienkreise, Arbeitsstellen und Arbeitsgemeinschaften erwähnt haben, die zum Teil ab 1974 in der Theologischen Studienabteilung aufgegangen sind, wo sie allerdings als Studien- und Arbeitskreise weiter existierten. Insofern erschöpfte sich der „Output“ der Studienabteilung nicht in Dokumentationen und „Lose-Blatt-Sammlungen“, sondern auch in eigenständigen Publikationen der verschiedenen Arbeitsgruppen und Referenten. Abschließend sind auch die in der DDR erschienenen theologischen Periodika und die entsprechenden Verlage aufgeführt sowie die Bibliotheken, in denen sie, unter anderem, zugänglich waren.

Ob wirklich alles genannt wurde, was für eine solche Gesamtübersicht erforderlich wäre, wird sich noch herausstellen. Die geleistete Arbeit ist zweifellos verdienstvoll und zeugt von ausgiebiger Sammeltätigkeit. Es ist bei solchen Übersichten, die DDR-Zeit betreffend, immer zu bedenken, dass die DDR von 1949 bis 1989 kein homogenes und unverändertes Gebilde gewesen ist. Was an dem einen Ort geduldet oder gar unterstützt wurde, traf andernorts auf Missfallen oder Verbote. Es gab tolerantere und repressivere Perioden und, gerade der Religion gegenüber, ideologische Schwenks. Wie das in der Gesamtübersicht zu berücksichtigen ist, sollte bedacht werden. Der Grundstock ist jetzt jedenfalls erfolgreich gelegt.

Götz Planer-Friedrich

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