Schreiender Papst und andere

Ausstellung in Mannheim setzt Kontrapunkt zum Lutherjubel
Foto: pixelio/Dietmar Meinert
Was die besondere These dieser Schau ist, wird nicht richtig klar, aber sehenswert ist das Ganze durchaus.

Martin Luther allerorten, nicht zuletzt in Museen – religions- und kulturhistorisch oder auch mal, über Lucas Cranach, speziell kunsthistorisch aufbereitet. Im Jubiläumsjahr der Reformation mag man sich kaum darüber wundern, aber ein Kontrapunkt könnte vielleicht nicht schaden. Das haben sich auch die Verantwortlichen der Reiss-Engelhorn-Museen im gemischt konfessionellen und darüber hinaus multikulturell geprägten Mannheim gedacht. Noch bis zum Reformationstag (!) ist dort die Ausstellung „Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“ zu sehen – ein umfassender Blick, so der Anspruch, auf eine fünfzehnhundertjährige Geschichte, die durch die Reformation eine nachhaltige Veränderung erfuhr.

Auf drei Etagen werden rund 330 Exponate ausgebreitet; viele von ihnen stammen, kaum verwunderlich, aus den Vatikanischen Museen. Archäologisch, kunst- und kulturhistorisch relevante Zeugnisse sind versammelt, oder wenigstens Abgüsse und Modelle davon. Zudem gibt es einige computeranimierte Filme, um dem Vorstellungsvermögen aufzuhelfen, beispielsweise mit einem Vogelflug über das antike Rom. Das meiste bleibt indes zu lesen, weil es eben schriftliche (und übersetzte) Dokumente und Erläuterungen sind. Tizians Porträt von Julius II. ist ebenso zu sehen wie eine Kopie des Papstthrons oder der ausladende mittelalterliche Papst-Kaiser-Rotulus, eine mehr als sieben Meter lange Pergamentrolle, auf der 1.400 Jahre Geschichte präsentiert werden. Von der christlichen Frühgeschichte ausgehend, konzentriert sich die chronologisch aufgebaute Schau alsbald auf Rom. Der früheste Beleg für die Bezeichnung „Papst“ wird um das Jahr 300 aufgefunden. Siricius ist der erste, der offiziell den Titel „papa“ führt (von 384–399).

Die Formel vom Primat der römischen Kirche geht aufs Jahr 382 zurück. Papst Gregor der Große (590–604) griff mit seinen Missionsunternehmen erstmals über das Römische Reich hinaus. Bonifatius und Karl der Große stehen ebenfalls für den wachsenden Einfluss von Kirche und Papsttum; ab dem 11. Jahrhundert gilt der römische Bischof als Stellvertreter Christi. Kreuzzüge, Gegenpäpste und Konzile finden gebührende Erwähnung – und die populäre Legende einer angeblichen Päpstin. Natürlich werden auch die Rolle der Päpste in der Renaissance sowie die Reformation ausführlich illustriert, dann folgt ein rascher Blick auf die Gegenwart. Am Ende steht Francis Bacons Gemälde „Schreiender Papst“, das die Ausstellungsmacher als Ausdruck der Belastung des Papstes angesichts des Leids der Welt deuten.

Was die besondere These dieser Schau ist, wird nicht richtig klar, aber sehenswert ist das Ganze durchaus. Natürlich zeigt sich, dass die vom Titel behauptete „Einheit der lateinischen Welt“ nie bestand, schon gar nicht am Beginn der fünfzehnhundertjährigen Geschichte, die hier im Zentrum steht. Wer skeptisch bleibt und darin gut protestantisch, sieht sich zumindest darin bestätigt, dass Papsttum und römisch-katholische Kirche nicht zuletzt eine Vielzahl kaum überschaubarer Details, einen sinnlichen Überschwang und ein Fest fürs Auge bieten. Wem es dann in der Stadt zu päpstlich geworden ist, der kann noch ein wenig ins Umland mit seinen reformationshistorisch bedeutsamen Orten ausschwärmen, nach Speyer, wo es 1529 zur Protestation kam, oder nach Worms, wo Luther auf seinem Standpunkt beharrte. Je einen Kaiserdom gibt es in diesen Städten auch, ein Ausdruck davon, wie hierzulande konfessionelle Unterschiede nebeneinander und immer wieder auch miteinander bestehen können.

Zur Website der Ausstellung

Thomas Gross

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