Nachhaltig

Weltliche und geistliche Macht
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Unruh hat mit dieser Monographie eines der nachhaltigsten Bücher zum Reformationsjubiläum geschrieben.

Geistliches und Weltliches werden im Glauben unterscheidbar und zugleich als untrennbar erkannt. Wird die Unterscheidung zur Entscheidung, weil Macht und ihr Anspruch hinzutreten, dann orientiert sich der christliche Glaube an den Grenzen, die ihm im Neuen Testament mit dem Gebot Jesu „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist...“ und mit dem Bekenntnis der Apostel „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ gezogen sind. Schon früh wurde in der Theologie damit begonnen, das Verhältnis von weltlicher zu geistlicher Macht juristisch zu präzisieren, um die wesentliche Verschiedenheit beider Mächte in ihrer gleichwohl identischen Ursprungsbeziehung festzuhalten

Im Verlauf der Kirchengeschichte des Mittelalters ging es dann immer wieder um oft konfliktreiche und schmerzliche Neujustierungen dieses Verhältnisses, bis sich dann im 14. Jahrhundert mit der Bulle Unam Sanctam der Supremat des geistlichen Schwertes über das weltliche durchsetzte. Der Jurist Peter Unruh begibt sich mit dem vorliegenden Buch in diese Auslegungsgeschichte von geistlicher und weltlicher Macht und setzt bei der theologischen Zäsur ein, die den Glauben allein über Tradition und Kirche stellt und die geistliche Gewalt ganz dem ewigen Glauben, die weltliche aber allein dem zeitlichen Leben reservieren will.

Unruh hat mit dieser Monographie eines der nachhaltigsten Bücher zum Reformationsjubiläum geschrieben. Ihn interessiert bei den Wittenberger Reformatoren, wie mit der politischen Durchsetzung und gar territorialen Konsolidierung des Reformwerks wieder die Neujustierungen beginnen. So wird in Kursachsen der Landesherr von Luther noch zum „Notbischof“ erklärt, dessen weltliche Autorität helfen soll, Predigt und Lehre durchzusetzen, aber bereits Philipp Melanchthon verwandelt kategorial diese Maßnahme zu einer festen Institution, die sich zum landesherrlichen Kirchenregiment entwickelt und im Augsburger Religionsfrieden von 1555 festgeschrieben wird.

Zwar sollte mit dieser kategorialen Festlegung der persönliche Glaube nicht tangiert werden, doch attestiert der Religionsfrieden den Andersgläubigen nicht etwa die Glaubensfreiheit, sondern nur das Recht auszuwandern. Die Fallhöhe zwischen dem ius reformandi des souverän auftretenden Landesherrn und dem ius emigrandi eines schutzlos auswandernden einzelnen Menschen, lässt ermessen, wie schlecht es noch um die Glaubensfreiheit bestellt war. Unruh konzentriert sich gemäß dem Anliegen seines Buches auf die evangelischen Territorien im Reich und damit auf die lang andauernde Verbindung zwischen Thron und Altar, wie sie wohl Luther mit seiner epochalen Abkehr vom Konstantinismus gerade hatte überwinden wollen.

Erst die Aufklärung des 18. Jahrhunderts und die sozial- und wirtschaftsgeschichtlich zu erfassende Freisetzung des Individuums von überkommenen Bindungen und Zumutungen, wie sie mit der Industrialisierung ermöglicht und teilweise verwirklicht worden ist, erhellten den geistigen Raum, in dem eine Wiedergewinnung der theologischen und rechtlichen Differenzierung von weltlicher und geistlicher Macht wieder denkmöglich werden konnte.

Die durch den Zugriff der weltlichen Gewalt stets gefährdete Glaubensfreiheit konnte nunmehr rechtlich verbunden werden mit der bürgerlichen Freiheit und der religiösen Selbstbestimmung des Menschen. Heute befinden sich zumindest in Deutschland die christlich Glaubenden und die Kirche(n) auf dem Feld öffentlich gelebter Religiosität, wie es der moderne Verfassungsstaat in „freundlicher Trennung“ von den Kirchen und den Religionsgemeinschaften seinen Bürgern und deren passiver und aktiver Religionsfreiheit garantieren will.

Friedrich Seven

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