Im tiefen Tal der Zinsen

Wie die evangelischen Banken mit der Politik des billigen Geldes umgehen
Im Frankfurter Bankenviertel warten viele auf höhere Zinsen. Foto: epd/ Thomas Lohne
Im Frankfurter Bankenviertel warten viele auf höhere Zinsen. Foto: epd/ Thomas Lohne
Seit Jahren flutet die Europäische Zentralbank die Märkte mit billigem Geld. So will sie die Konjunktur vor allem in Südeuropa stützen und den Verwerfungen der Wirtschafts- und Finanzkrise vor knapp zehn Jahren entgegenwirken. Das freut diejenigen, die Kredite aufnehmen, sorgt aber die anderen, die Geld anlegen wollen. Auch kirchliche Banken bleiben davon nicht verschont und müssen reagieren – bisweilen mit weitreichenden Maßnahmen.

Eigentlich könnte Thomas Katzenmayer, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Bank, zufrieden sein. Auch im vergangenen Jahr hat die größte Kirchenbank Deutschlands einen Jahresüberschuss von gut zehn Millionen Euro erwirtschaftet und damit das Ergebnis des Vorjahres fast erreicht. An die Kunden aus der Gesundheits- und Sozialwirtschaft wurden neue Kredite in Höhe von knapp 650 Millionen Euro vergeben, mit denen diese zum Beispiel neue Bauprojekte finanzieren können. Und die Anteilseigner der Genossenschaftsbank, unter anderem die Landeskirchen Hannover, Württemberg, Hessen-Nassau und Kurhessen-Waldeck, sollen auch in diesem Jahr drei Prozent Dividende erhalten. Alles wäre gut, wenn da nicht die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Null-Zins-Politik wäre. „Wir werden uns verändern müssen, um auch weiterhin erfolgreich am Markt bestehen zu können“, sagte Katzenmayer, als er vor kurzem die aktuellen Geschäftszahlen vor Journalisten vorstellte.

Die Veränderungen sind drastisch. Das Filialgeschäft für Privatkunden an 14 Standorten wird aufgegeben, die 72.000 Privatkunden sollen ab 2020 zentral aus einer Direktbank in Kassel betreut werden. Noch arbeiten rund 480 Mitarbeiter bei der Bank, 358 davon Vollzeit. Doch in den kommenden Jahren sollen einhundert Vollzeitstellen wegfallen, sogar betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen, auch wenn ein Großteil des Stellenabbaus über Altersteilzeit erfolgen soll. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über Sozialpläne laufen. „Wir wären froh, wenn wir diese Einschnitte nicht vornehmen müssten“, sagt Katzenmayer.

Aber die Bank bewegt sich in einem schwierigen Umfeld. Vor allem die Politik des billigen Geldes der EZB, deren Leitzins seit 2012 bei unter einem Prozent liegt und seit einem guten Jahr sogar bei 0,0 Prozent, macht allen Banken und Sparkassen das Geschäft schwer. Zwar bekommen sie von der EZB das Geld kostenlos und können es – ganz im Sinne der Zentralbanker – als billige Kredite weiter an ihre Kunden geben und über die eingenommenen Zinsen Geld verdienen. Doch die Zahl der Wettbewerber wächst, denn auch Sparkassen und andere Banken haben die Finanzierung von Krankenhausrenovierungen und Pflegeheimbau für sich entdeckt und locken ebenfalls mit niedrigen Zinsen.

Gleichzeitig kann die Evangelische Bank, wie alle anderen auch, ihr eigenes Geld und das ihrer Kunden kaum noch gewinnbringend anlegen. Früher sichere und lukrative Geldanalagen wie die Schuldverschreibungen eines Staates (Staatsanleihen) werfen kaum noch Rendite ab, denn auch diese Kredite werden ja immer billiger. Für die Evangelische Bank wird es daher zum Problem, dass ihre Kunden ihr immer mehr Geld anvertrauen, um es anzulegen. Im vergangenen Jahr ist das betreute Kundenvolumen auf 14,6 Milliarden Euro gestiegen.

Was tun damit? An den Aktienmärkten wird noch Geld verdient, aber das Investment dort ist risikoreicher als bei den Anleihen und kann beim nächsten Beben an den Börsen schnell an Wert verlieren. Zudem sind die evangelischen Banken ja an die Grundsätze der ethisch-nachhaltigen Geldanlage gebunden und können nicht völlig frei agieren.

Strenger reguliert

Dennoch hat die Evangelische Bank im vergangenen Jahr ihren Zinsüberschuss im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 Millionen auf knapp achtzig Millionen Euro gesteigert. Allerdings lag dieser Wert zum Zeitpunkt der Fusion 2014, als sich die Evangelische Kreditgenossenschaft (EKK) in Kassel und die Evangelische Darlehensgenossenschaft (EDG) in Kiel zur Evangelischen Bank zusammenschlossen, noch bei gut einhundert Millionen Euro. Auch dies zeigt, wie sich die Rahmenbedingungen geändert haben. Und ein Ende des Zinstiefs ist nicht in Sicht.

Hinzu kommen die härteren Auflagen der Bankenaufsicht, die nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 geschaffen wurden, um die Institute widerstandsfähiger gegen solche Turbulenzen zu machen. Mehr Eigenkapital, strengere Meldepflichten und mehr Bürokratie mögen sinnvoll sein, um das Ziel zu erreichen. Sie sorgen aber gerade in kleineren Häusern für erheblichen Mehraufwand und Kosten, die das Geschäft belasten. Und dann sind da noch die Kunden, die heute ihre Bankgeschäfte kaum noch in der Filiale erledigen, sondern über das Internet oder das Telefon.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Evangelische Bank entschieden, ihren Schalterservice zu schließen und stattdessen das Privatkundengeschäft über eine Direktbank zu organisieren. „Die Zukunftsbank – EB Pro 5.0“ lautet der schillernde Name für das neue Konzept. Das zentrale Bürogebäude der Bank in Kassel wird in den kommenden Jahren für knapp dreißig Millionen Euro zum Sitz der Direktbank umgebaut. „Wir fahren in der Evangelischen Bank kein Spar-, sondern ein Investitionsprogramm. Wir investieren in die Zukunft der größten Kirchenbank Deutschlands“, betont Katzenmayer. Denn mittelfristig sehe es „sehr gut aus“ – mit den Einschnitten, die nötig werden.

Auch bei der zweiten großen evangelischen Bank, der KD Bank in Dortmund, bleiben die veränderten Rahmenbedingungen trotz nach eigenen Angaben „guter Zahlen“ für 2016 nicht ohne Folgen. Ein radikaler Umbau wie in Kassel ist nicht geplant, allerdings hat die Bank auch deutlich weniger Filialen und mit gut zweihundert Mitarbeitern auch nur etwa halb so viel Personal wie die Evangelische Bank. Ein Stellenabbau ist nicht geplant, es bestehe „zurzeit eher zusätzlicher Bedarf, weil die regulatorischen Anforderungen kontinuierlich steigen und auf vielen Ebenen zusätzlichen Aufwand erbringen“, erklärt Vorstandsvorsitzender Ekkehard Thiesler in einem Frage-Antwort-Katalog auf der Homepage des Instituts. Allerdings werden in diesem Jahr die beiden Standorte in Berlin zusammengelegt und der Bürostandort in Erfurt aufgegeben. „Darüber hinaus sind vorerst keine Veränderungen geplant.“ Die Kunden der KD Bank werden sich jedoch darauf einstellen müssen, dass künftig nicht mehr alle Überweisungen kostenlos ausgeführt werden. „Eine beleghafte Überweisung kostet uns etwa zwei Euro, die Überweisung per Telefon-Banking etwa 1,50 Euro und die Überweisung per Internet-Banking weniger als 20 Cent“, rechnet Thiesler vor. „Hier werden wir ansetzen und für die Überweisungsverfahren, die für uns relativ teuer sind, einen Preis einführen, der einen Teil der Kosten deckt.“

Dividende sinkt

Auch bei den institutionellen Kunden aus Kirche und Diakonie bleibt nicht alles gleich. Verwahrungsgebühren für Geldeinlagen und Kostenbeteiligung am Zahlungsverkehr wurden schon eingeführt oder werden bald kommen. Und auch die Eigentümer, etwa die westfälische und die rheinische Landeskirche, sollen ihren Beitrag leisten. „Eine Dividende in Höhe von sieben Prozent ist in der aktuellen Zinssituation einfach nicht zeitgemäß“, sagt Thiesler. Der Geschäftsbericht der Bank wird erst im Mai veröffentlicht, so dass der Dividendenvorschlag, über den die Generalversammlung im Juni entscheidet, noch nicht offiziell ist. Fachleute rechnen mit etwa vier Prozent. Thiesler zeigte sich aber zuversichtlich, dass der Vorschlag angenommen wird. Er habe den Eindruck, „dass die Mitglieder, mit denen bei den Regionalkonferenzen über eine niedrigere Dividende gesprochen wurde, dies auch nachvollziehen konnten.“

Bei der Evangelischen Bank in Kassel bleibt es vorerst beim Dividendenvorschlag von drei Prozent. Doch auch die Eigentümer müssten ihren Anteil an den Strukturveränderungen in der Bank leisten, sagte Katzenmayer und bereitet so schon mal auf eine zukünftig niedrigere Dividende vor.

Was könnte noch kommen, wenn das Wandern im tiefen Zinstal noch lange dauert? Beobachter der Branche sehen in Deutschland noch immer vergleichsweise viele Geldinstitute am Markt, Deutschland gilt im Vergleich zu anderen Ländern als „overbanked“. Immer wieder wird über Fusionen, etwa von Deutscher Bank und Commerzbank, spekuliert. Ist das auch eine Perspektive für die beiden verbliebenen großen evangelischen Kirchenbanken? Evangelische-Bank-Chef Katzenmayer äußert sich vorsichtig. „Auf der Zeitschiene hat das durchaus Sinn“, sagt er. Doch in den kommenden Jahren sei keine Fusion angestrebt.

Das ist nachvollziehbar, denn beide Institute haben erst vor kurzem Fusionsprozesse hinter sich gebracht: Die Evangelische Bank entstand vor drei Jahren – wie erwähnt – aus der Fusion von EKK und EDG. Die Vorläufer der KD Bank waren unter anderem die von Martin Niemöller 1927 gegründete „Darlehensgenossenschaft der Westfälischen Inneren Mission“ und die „Landeskirchliche Kredit-Genossenschaft für Sachsen“ von 1925. Beide Einrichtungen entstanden als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise, die es den Kirchen und diakonischen Einrichtungen immer schwerer machte, Kredite für ihre Einrichtungen von den traditionellen Banken und Sparkassen zu bekommen.

Eine weitere Wurzel der KD Bank ist die „Provinzialkirchliche Spar- und Darlehnskasse für die Provinz Sachsen“, die Prosparda, die 1927 gegründet und in der DDR geduldet wurde. Nach der Wende sollte die Prosparda zur Bank für Kirche und Diakonie in den neuen Bundesländern werden, ging dann 1991 mit der BKD Duisburg zusammen, welche 1953 gegründet worden war, unter anderem um den Wiederauf- und Neubau von Kirchen- und Gemeindehäusern zu finanzieren.

Der Blick auf die Stammbäume der evangelischen Kirchenbanken zeigt, dass ständiges Profitstreben oder der bange Blick auf den „Shareholder Value“ nicht die entscheidende Motivation für das Geschäft darstellte. Solide zu wirtschaften war natürlich Ehrensache, denn schließlich vertrauten viele kirchliche Institutionen ihnen ihr Geld an. Doch Analystenkommentare, hektische Aktionäre oder angestrebte Eigenkapitalrenditen von 25 Prozent, wie sie einst der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann mit Blick auf die Konkurrenz im Ausland forderte, bleiben den Kirchenbanken erspart. Und das Kerngeschäft, die Versorgung von kirchlichen und diakonischen Einrichtungen mit Krediten etwa für den Bau von Altenwohnungen oder Pflegeeinrichtungen, ist ja mit Blick auf die Demographie durchaus zukunftsträchtig. Insofern besteht berechtigte Hoffnung, dass beide Institute das tiefe Tal der Zinsen durchwandern werden.

Stephan Kosch

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