Sacharbeit statt Seifenblasen

Katholiken und Protestanten müssen trennende theologische Fragen klären
Foto: privat

Für einen alten Hildesheimer wie mich, war es natürlich eine Freude, dass der ökumenische Buß- und Versöhnungsgottesdienst 500 Jahre nach dem Thesenschlag Luthers am 11. März in der Hildesheimer Michaeliskirche gefeiert wurde (siehe zz 4/2017). Die römisch-katholische Krypta war jahrhundertelang von der lutherischen Kirche durch dickes Mauerwerk getrennt. Nun ist der Durchgang seit einigen Jahren geöffnet, es ist ein Segen, dass so etwas heute möglich ist.

Der Gottesdienst war sorgfältig gemacht und die Teilnahme ein gutes Erlebnis. Ich stutzte freilich als das Buß- und Versöhnungsgebet durch Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm gesprochen wurde. „Jesus Christus, (...) wir kommen zu dir mit der Last unserer Entzweiung und Trennung, mit den Schatten der Vergangenheit, Scham und Trauer über das Leid, das aus unserem Streit entstanden ist.“ Seltsam, kein Wort darüber, dass es Martin Luther um die Reform der einen Kirche ging und es an der Unfähigkeit der damaligen kirchlichen Obrigkeit lag, das zu begreifen. Auch nichts davon in der Liturgie, dass bei allem schrecklichen Streit auch die römisch-katholische Kirche Luther vieles indirekt zu verdanken hat. Er hat doch die Kirche seiner Zeit auch wachgerüttelt, selbst wenn sie es nicht merken wollte. Gut, dass Kardinal Marx das nachher in seinem Predigtteil sagte.

Die Panzersperre vor dem Altar war etwas drollig. Weil den Organisatoren der Begriff Panzersperre zu kriegerisch war, sprachen sie immer nur von der Sperre. Als sie dann aufgerichtet wurde, sah man, was auf dem Gottesdienstheft schon zu erkennen war: Es sollte ein Kreuz sein - allerdings allenfalls ein Koordinatenkreuz. Nicht unhübsch anzusehen, obwohl man daran schwer einen kreuzigen kann. Ich habe mir für 20 Euro eine Miniausgabe besorgt.

Aber was war das Ganze? Im Vorbereitungsheft war zu lesen: „Wenn wir von der Heilung der Erinnerung sprechen, übersehen wir nicht, dass es weiterhin offene Fragen gibt, die uns noch trennen. Aber wir lassen uns dadurch nicht von unserem ökumenischen Weg abbringen. Dass wir 2017 das Abendmahl bzw. die Eucharistie nicht gemeinsam feiern, zeigt dass bei allen ökumenischen Annäherungen bis heute grundlegende Fragen des Kirchen und Amtsverständnisses nicht gemeinsam beantwortet sind.“ Leider war davon kein Wort im Gottesdienst zu hören. Kein Wort davon, dass wir in katholischen Augen nicht nur keine Kirche, sondern wir ordinierten Pfarrer und Bischöfe in theologischer Hinsicht ebenfalls nichts sind, und zum Beispiel auch keine Vollmacht zur Abendmahlseinsetzung haben.

Ich habe beim anschließenden Empfang mit den beiden Bischöfen und dem Sekretär der katholischen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, jeweils ein längeres Gespräch gesucht.

Ich sagte etwa: „Der Gottesdienst eben war eine nett gemeinte Seifenblase, wenn Sie nicht umgehend eine Kommission an die Arbeit setzen, die mindestens fünf Jahre darüber brütet, wie es bei diesen ungeklärten Fragen eine Brücke geben könnte. Da Sie das noch nicht einmal in Aussicht genommen haben, ist das heute nicht anderes als eine Seifenblase gewesen.“ Ich habe seinerzeit als Leitender Bischof der VELKD und als Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes versucht, die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre in der Schlussphase der Verhandlungen so zu verbessern, dass sie auch der evangelischen Professorenschaft Respekt abgenötigt hätte. Das ist an der Ablehnung des leitenden schwedischen und des amerikanischen Bischofs gescheitert. Es fehlte nämlich das Bearbeiten der beiden unterschiedlichen Seinsverständnisse in beiden Kirchen. Um es kurz zu sagen, katholischerseits herrscht immer noch eine Substanzontologie, während wir seit Luther eine durchs Wort geprägte „relationale Ontologie“ (Gerhard Ebeling) haben. Dieser Gegensatz zwischen der substanz-ontologischen Wirklichkeitssortierung und dem mich treffenden und dann nach und nach verwandelnden Wort Gottes muss aufs sorgfältigste bedacht werden. Wir benutzen dieselben Begriffe und meinen eine ganz andere Wirklichkeit damit.

Als ich Landesbischof Bedford-Strohm sagte, dass wir den Seifenblasencharakter des ökumenischen Gottesdienstes in Hildesheim nur vermeiden könnten, wenn wir theologische Fachleute von beiden Seiten an diese Fragen setzen, verwies er darauf, dass er zunächst darum gegangen sei, die Beziehungsebene zu verbessern. Ich gebe zu: Das ist nicht unwichtig. Aber das Entscheidende ist die Sacharbeit. Wenn die Leute tun, die sich schätzen, achten, gar mögen, wird das der Sachebene helfen. Aber es erspart nicht die zähe Arbeit an den theologischen Fragen, die Katholiken und Protestanten trennen.

Horst Hirschler

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