Kein Ablass für Abgas

VW sponsert das Reformationsjubiläum und den Kirchentag
Foto: privat

Zu den realistisch-lebenszugewandten Äußerungen des Reformators Martin Luther gehört seine Bemerkung gegenüber Melanchthon, wenn er denn schon sündige, dann solle er tapfer sündigen - pecca fortiter auf lateinisch. Dieser bekannte Ausspruch Luthers drängt sich demjenigen auf, der liest, dass der Volkswagenkonzern offizieller Partner des EKD-Reformationsjubiläums ist. Der Automobilhersteller unterstützt das Reformationsjubiläum mit einer Shuttle-Flotte aus 254 Fahrzeugen, die den Veranstaltern besonders während des Evangelischen Kirchentags in Berlin und Wittenberg im Mai zur Verfügung steht.

Der Vorstandsvorsitzende Matthias Müller sagte dazu: „Die Reformation war vor 500 Jahren Ausdruck und Motor(sic!) eines tiefgreifenden historischen Wandels. Auch wir erleben heute technologische und gesellschaftliche Umbrüche, die vieles in Frage stellen und nicht wenige verunsichern. Wir sind überzeugt: in solchen Zeiten ist es besser miteinander als übereinander zu reden.“ Eine Zusage, dass der Konzern auf seine Benzin- oder Dieselflotte verzichtet und nur seine neuen E-Mobile und Hybridfahrzeuge zur Verfügung stellt, ist in der Erklärung des VW-Vorstandsvorsitzenden nicht enthalten.

Darüberhinaus ergibt sich die noch wichtigere Frage, ob die evangelische Kirche wirklich die Bereitstellung eines Fuhrparks durch einen Konzern in Anspruch nehmen muss, der seit zwei Jahren mit dem Dieselabgasskandal weltweit negative Schlagzeilen macht und durch das Beharren auf veralteter Antriebstechnik den Anschluss an die Elektromobilität eher verpasst als angeführt hat. Wegen Fälschung von Abgaswerten durch eine manipulative Software kamen und kommen auf VW Schadensersatzforderungen in den USA und Europa in Milliardenhöhe zu. Die Verfahren sind nicht abgeschlossen. Das Vertrauen in die Ethik und die Verantwortung dieses Konzerns ist nachhaltig erschüttert.

Auch wenn andere Autokonzerne ähnlich getäuscht haben sollen - das Verhalten von VW ist kein Kavaliersdelikt. Das laufende Vertragsverletzungsverfahren von EU-Kommissarin Elzbieta Bienkowska gegen deutsche Verkehrskontrollbehörden beim Europäischen Gerichtshof richtet sich auch gegen VW als Verursacher. Die Reformationsplaner sollten sich ernsthaft fragen, ob VW der geeignete Sponsor für 2017 ist.

Erhöhte Abgaswerte schädigen nachweislich Gesundheit und Klima. Viele Kunden glaubten, sparsame und umweltfreundliche Autos zu kaufen und wurden getäuscht - mit Wissen verantwortlicher Stellen im Konzern. Kinder, Greise, Fußgänger und Radfahrer wurden besonders in den Ballungsräumen höheren giftigen Abgaskonzentrationen ausgesetzt, als rechnerisch prognostiziert war. Das Ansehen des VW-Konzerns wurde durch dieses wissentliche Inkaufnehmen erhöhter Emissionen beschädigt, Arbeitsplätze sind gefährdet.

Als Kirche Jesu Christi und Bewohnende der Schöpfung Gottes dürfen wir darüber nicht großzügig hinwegsehen - nach dem Motto Emissio fortiter („Pustet kräftig in die Luft!“). Auch wenn durch das Sponsoring Kosten gespart werden, weil VW den Fuhrpark aus Benzin- und Dieselfahrzeugen stellt und die vips schnell von einer Veranstaltungshalle zur nächsten bringt: Der Preis, den die Evangelische Kirche in Deutschland und die sonstigen Reformationsveranstalter für den Verlust schöpfungstheologischer Glaubwürdigkeit zahlen werden, ist größer als der materielle Gewinn.

Natürlich sind wir eine Autogesellschaft. Die Autoindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Wir brauchen Mobilität. Wir brauchen Logistik - auch für schwere Lasten. Die Kirche muss jedoch einklagen, dass die Schöpfung durch Mobilität nicht irreparabel und nachhaltig geschädigt werden darf.

Deswegen sollten die EKD für das Reformationsjubiläum und der Deutsche Evangelische Kirchentag 2017 darauf achten, dass im Jahr des Reformationsgedenkens die Größe der Gnade Gottes nicht durch die Erlaubnis inszeniert wird, dass ausgerechnet VW als Sponsor dieser kirchlichen Aktivitäten auftreten darf. Kein Ablass für Abgas! Zudem sollten sie darauf hinwirken, dass beim Konzern eine Entschuldigung bei betroffenen Käufern und Käuferinnen und generell bei den Emissionsopfern erwirkt wird. Das Angebot von VW sollte nur mit der Auflage angenommen werden, dass zwischen Berlin und den Lutherstädten um Wittenberg nur Fahrzeuge mit Elektroantrieb oder Wasserstoffbrennstoffzellen fahren. Die Entfernung zwischen Berlin und Wittenberg beträgt 127 km und sollte mit einer Batteriefüllung zu schaffen sein, manche Elektroautos schaffen diese Strecke nur mit einer Ladung hin und zurück. Zudem sollte VW aufgefordert werden, sich an windkraftnahen Strom- sowie an Wasserstofftankstellen als großzügiger Investor zu beteiligen.

Matthias Kaiser

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