Leidenschaftlich

Sprachkritik an der Kirche
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Das Buch ist eine leidenschaftliche Anklageschrift: laut, oft überzogen und radikal.

Erik Flügge ist wütend. Priester, Pfarrer und Pfarrerinnen, lautet die These des Kommunikationsberaters, hätten eine kircheninterne Sprache, sie verwendeten verschrobene und gefühlsduselige Wortbilder. Sie predigten Banalität statt wirklicher Botschaft und sprächen nicht an, sondern redeten an der Lebenswirklichkeit der Menschen heute vorbei. Die Sprache, in der so manche Predigt vorgetragen wird, ist nicht mehr zeitgemäß. Und so brauchen sich Pfarrer und Priester auch nicht wundern, wenn die Kirchenbänke am Sonntag leer sind. Denn diesen „Jargon der Betroffenheit“, so Flügge, wolle niemand mehr hören.

Auf 160 Seiten nimmt Flügge die Sprache der Kirche auseinander. Er sammelt Negativbeispiele, erzählt von seinen eigenen Erfahrungen mit abgegriffenen, schrägen Sprachbildern, analysiert die Sprache von „Wort-zum-Sonntag“-Sprechern und berichtet von einem Facebook-Kontakt mit einem Priester, der nicht an die Wirkmacht von Sprache glaubt. Flügges traurige Bilanz: An keine einzige Predigt in einem Gottesdienst, den er besucht hat, kann er sich erinnern. Kein Wort oder Gedanke ist bei ihm hängen geblieben.

Und so begibt sich der Politikberater in seinem Buch auf die Suche nach einer guten Predigt, nach einer religiösen Sprache, die anspricht. Dabei entwickelt er seine eigenen Thesen für eine gute Predigt: Predigten brauchten Relevanz und brauchten das richtige Timing, sie müssten aktuell sein. Predigten müssten emotional sein, der Prediger müsse mit seiner Wut, seiner Enttäuschung oder seiner Freude sichtbar sein. Predigten müssten aber auch pointiert sein und brauchten theologische Substanz. Dem allen schickt er sein Credo voraus: „Sprecht doch einfach über Gott, wie ihr bei einem Bier sprecht. Dann ist das vielleicht noch nicht modern, aber immerhin mal wieder menschlich, nah und nicht zuletzt verständlich.“

Flügge trifft mit seinem Buch einen wunden Punkt. Denn die Beschreibungen, die Flügge bietet, sind durchaus zutreffend. Und geben Erfahrungen wieder, die viele Menschen mit Kirche gemacht haben, ob es nun um den leiernden Singsang geht, in dem so mache Predigt vorgetragen wird, um abgedroschene Sprachbilder oder um das Gefühl, der Pfarrer stehe nicht hinter dem, was er sagt, und verstecke sich hinter Worthülsen. Pfarrer und Priester, so seine These, setzten auf größtmögliche Distanz und schafften es nicht, Nähe und Vertrautheit herzustellen.

Das Buch ist eine leidenschaftliche Anklageschrift. Flügge, der selbst ein Theologiestudium angefangen und dann abgebrochen hat, provoziert immer und immer wieder. Laut, oft überzogen und radikal. Er verallgemeinert, und tut damit so manchem Pfarrer oder Priester, der nicht dem gezeichneten Klischee entspricht, unrecht. Flügge hadert mit der Kirche und hängt doch an ihr. In seinem Eifer vergreift er sich hin und wieder im Ton, etwa wenn er davon spricht, dass die „Kirche an ihrer Sprache verreckt“ oder er eine Weihnachtsansprache „Scheiße“ findet. Das ist schade und schwächt seine Kritik. Denn mit seinem Plädoyer für eine verständliche Sprache weist Flügge auf einen wichtigen Punkt hin: Damit Kirche auch heute noch relevant sein kann, braucht es dringend einen neuen Kommunikationsstil.

Barbara Schneider

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