pro und contra

Soll das Nato-Ziel gekippt werden?
Die NATO-Staaten haben sich verpflichtet, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben. Darüber wird vor der Bundestagswahl nicht nur in der Politik gestritten. Für einen Ausstieg aus dieser Selbstverpflichtung plädiert Hans Diefenbacher, Leiter des Arbeitsbereiches Frieden und Nachhaltige Entwicklung bei der fest in Heidelberg. Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, hält dagegen.

Kaum noch verteidigungsfähig

Der Ausstieg aus der Zwei-Prozent-Verpflichtung würde die Kriegsgefahr erhöhen

Im Jahr 2014 haben sich alle NATO-Staaten angesichts einer wieder entstandenen militärischen Bedrohung durch Russland der Verpflichtung unterworfen, bis zum Jahre 2024 ihre Ausgaben für Verteidigung auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anzuheben. Einige - wie die USA und Großbritannien - haben dieses Ziel schon lange erreicht, andere, wie die Bundesrepublik Deutschland, tun sich damit schwer. Derzeit wendet die Bundesregierung 1,2 Prozent des BIP für Verteidigungszwecke auf. Die hiesige politische Debatte hat sich derzeit heiß gelaufen, weil die usa verlangen, dass die Deutschen schneller vorangehen, während Außenminister Gabriel und Politiker der SPD diese Verpflichtung in Frage stellen. Es sind drei Argumente, die gegen das Festhalten an dem Zwei-Prozent-Ziel vorgebracht werden: (1) die Zahl sei willkürlich und ergebe sicherheitspolitisch keinen Sinn; (2) die Bundesrepublik gäbe mit fast 40 Milliarden Euro pro Jahr schon ausreichend Geld für Verteidigung aus; (3) mit der Umsetzung dieses Zieles würde die NATO einen Rüstungswettlauf mit Russland beginnen, aus dem heraus ein heißer Krieg entstehen kann. Alle drei Argumente gehen an der Realität vorbei. Es ist zwar richtig, dass der Zwei-Prozent-Marke etwas Willkürliches anhaftet und es der Bundeswehr auch nicht möglich ist, binnen eines Jahres ihre Verteidigungsausgaben von 39 Milliarden auf 70 Milliarden Euro zu erhöhen. Aber die Zahl reflektiert ein gemeinsam erarbeitetes Konzept zur Wiederherstellung einer begrenzten Verteidigungsfähigkeit der nato, welches zu seiner Umsetzung eines entsprechenden finanziellen Rahmens bedarf. Dieser ist mit der Zwei-Prozent-Marke knapp kalkuliert.

Die Behauptung, die Bundeswehr habe genug Geld, ist falsch. Für 25 Jahre wurde die Bundeswehr verkleinert und auf Stabilisierungsoperationen umgestellt und entsprechend umgerüstet. Die Zahl der Hauptkampfsysteme wie Panzer, Kampfflugzeuge, Schützenpanzer, Hubschrauber und Artillerie wurde massiv reduziert, so dass eine Fähigkeit zur Landes- oder Bündnisverteidigung kaum noch gegeben ist. Die Stabilisierungsoperationen - insbesondere die Operation in Afghanistan - haben zu einem Materialverschleiß geführt, der noch nicht ausgeglichen werden konnte.

Die Annahme eines Rüstungswettlaufs ist völlig aus der Luft gegriffen. Die militärische Bedrohung seitens Russlands bleibt begrenzt und betrifft vornehmlich die baltischen Staaten und Teile Polens. Um eine der realen militärischen Bedrohung angepasste konventionelle Abschreckungskapazität aufzubauen, hat die nato sehr moderate Schritte übernommen, wie die Aufstellung eines kleinen, aber recht schnell einzusetzenden multinationalen Kontingents. Um längerfristig eine begrenzte Verteidigungsfähigkeit herzustellen, wird die Bundeswehr bis 2025 gemeinsam mit anderen nato-Staaten drei Heeresdivisionen aufstellen. Alleine deren Aufstellung wird zusammen mit der Deckung des Nachholbedarfs der Bundeswehr nur machbar sein, wenn der deutsche Verteidigungsetat bis zum Jahr 2024 auf über 70 Milliarden Euro anwächst (also knapp zwei Prozent des BIP).

Einen Rüstungswettlauf wird es nicht geben - zum einen, weil in der nato hierfür keine Bereitschaft besteht und zum anderen, weil Russland die wirtschaftliche Stärke fehlt. Die moderate Aufrüstung der nato zur Wiederherstellung einer der Bedrohung angepassten konventionellen Verteidigung ist ein sinnvoller Schritt, um den Frieden in Europa zu wahren. Der Ausstieg aus der Zwei-Prozent-Verpflichtung würde hingegen die Kriegsgefahr erhöhen: Bisherige Erfahrungen mit Russland zeigen, dass die militärische Risikobereitschaft Moskaus in dem Maße wächst, wie es die Gegenseite als schwach wahrnimmt.

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Joachim Krause

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