Vom christlichen Glauben sprechen und seine Relevanz mitten in der Welt überprüfen, ist das Lebensthema von Margot Käßmann. Ob als Pfarrerin, Bischöfin, EKD-Ratsvorsitzende oder jetzt als Reformationsbotschafterin, sie erzählt in Predigten, im Dialog ebenso wie vor großem Publikum von ihrem christlichen Glauben und welche Verantwortung sich daraus in der Welt ergibt. Dabei gilt für Käßmann immer: Es gibt keine weltabgewandte Frömmigkeit, sondern nur eine, die mitten im Alltag gelebt wird und diesem auch standhält. Und die 58-Jährige hat oft genug am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn man den Glauben in den Konflikten der Zeit lebt.
Käßmanns Stärke ist ihre Zugewandtheit den Menschen gegenüber. So widmet sie sich auch als Autorin immer wieder den Menschen mit ihren Fragen nach Gott, ihren Konflikten und Sorgen. Was hilft in Lebenskrisen, bei Scheidung, Verlust, bei Tod? Und warum muss der Mensch trotz allem nicht verzagen? Die Leserin muss sich diese Fragen selbst beantworten. Doch dabei hilft ihr die Lektüre dieses Buches, das Kristina Johlige Tolstoy mit mehreren Reliefbildern illustriert hat. Da geht es um Krankheit, um Arbeitsplatzverlust und auch um Gewalterfahrungen - Geschichten, die jeden Tag irgendwo passieren.
Zumeist eröffnet ein Popsong, eine Szene aus einem Kinofilm oder ein Gedicht ein Kapitel, in dem die Theologin zum Beispiel von Enttäuschungen, Ungerechtigkeiten, vom Kosmos Familie, dem Altwerden oder auch von schwierigen Gottesbildern berichtet. Käßmann zitiert aus Briefen, in denen sich Menschen an sie wenden, aus Gesprächen und Begegnungen. Ihre Erfahrungen, aber auch Fragen lässt die vierfache Mutter und Großmutter einfließen und gleicht diese mit denen aus den jahrtausendalten biblischen Geschichten ab. Sie weiß: Manchmal hilft es, den Blickwinkel oder die Perspektive zu wechseln. Denn Sorgen und Ängste zerfressen am Ende nur die Lebenslust. Einfach ist das nicht. Daraus macht die Reformationsbotschafterin keinen Hehl. Schönreden und beschwichtigen will sie nicht, vielmehr Menschen Mut machen, „anzunehmen, was ist, und zu gestalten, was man noch selbst umsetzen kann“. Das Gute im eigenen Leben wahrnehmen, dankbar sein und trotzdem Mut für neue Aufbrüche zu haben, diese Balance gilt es ihrer Ansicht nach zu finden. Was dabei hilft: Beziehung, Freunde, Menschen, die einem beistehen. Das will sie weitergeben.
Dabei berichtet Käßmann von dem, was ihr hilft, im Leben und in der Welt zu bestehen: „Für mich ist der Glaube die Kraft, die mir die Möglichkeit gibt, im Leben zu bestehen, eine Orientierung zu finden für mein Denken, Reden und Handeln. Diese Kraft speist sich aus der Bibel, den Erzählungen von den Glaubenserfahrungen unserer Väter und Mütter im Glauben“, schreibt die Theologin. Und es kommt darauf an, eine Haltung zu bekommen, „mit der wir unseren Lebensweg gehen, gestalten oder eben auch ertragen, wenn wir daran nichts ändern können“. Und manchmal dringt Empörung in ihre Formulierungen, wenn die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens nicht weiter verfolgt wird oder die Waffenexporte nicht zurückgehen. Und als Antwort auf den Terror setzt die Reformationsbotschafterin den Dialog der Religionen. Denn eines lässt sie sich nicht nehmen - die bleibende Hoffnung auf eine bessere Welt.
Kathrin Jütte
Kathrin Jütte
Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.