Danke, liebe Antifa!

Spain: Carolina
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Hilft gegen die Melancholie danach:Purer Marta-Sound aus Folk, Country, Blues und Slowcore, also entschleunigt.

Es war heiß beim „Tag der deutschen Zukunft“ am 4. Juni 2016 in Dortmund. 1?000 Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet hatten so ihren Marsch durch die Ruhrmetropole betitelt. Der Schweiß indes, der danach noch floss, war rot vor Wut, weil sich wieder mal die Falschen feierten. So lobte die Polizei den Protest von Gewerkschaften und Kirche als „friedliches, kreatives und äußerst beeindruckendes Zeichen. Mit bis zu 3?000 Teilnehmern bewegte sich der Aufzug nach Dorstfeld. Hier konnten die Teilnehmer die Rechtsextremisten mit einem gellenden Pfeifkonzert und ‚Nazi-Raus‘-Rufen belegen.“ Die lachend vorbeizogen. Dass sie dabei nach zwei Stunden Schmoren vor Gittern in placker Sonne nicht in Gefahr gerieten, hatten sie 3?000 anderen zu verdanken, die aber im Polizeisprech als Gewalttäter firmieren. Der Antifa. Sie kam, um zu blockieren. Polizeilob gab für sie keins: „Dieses können 3?000 Linksautonome nicht für sich in Anspruch nehmen. Seit dem Vormittag hatten mehrere hundert Linksautonome versucht, Sperrstellen anzugreifen und zu überrennen.“

Tja, so ist nun mal das Geschäft. Ohne Antifa hätte die Politiker nicht 5?000 Beamte aufgefahren und den Spuk ohne Publikumskontakt durch teils gähnend leeres Gewerbegebiet geführt. Wasserwerfer, Räumpanzer und 200 Polizisten vor und hinter der Brut, dazu mehrere 100 rechts und links von den Totschlägern, die man aber bei Stopps smart zu Eisdielen passieren ließ, während Reporter stets die Ausweise zücken mussten und abgedrängte Antifas munter gepfeffert wurden. Die Kirche hält sich derweil ans lukanische Fehlurteil und verachtet Marta, die bloß diente (Lukas 10, 38–42).

Was das mit Musik zu tun hat? Wut muss ja gebändigt werden, erst mal mit rotzig Flottem wie „Love Me Two Times“ der Doors etwa. Doch gegen die Melancholie danach hilft eher „Carolina“ der Band „Spain“ um Bassist Josh Haden, Sohn von Jazz-Legende Charlie Haden. Purer Marta-Sound aus Folk, Country, Blues und Slowcore, also entschleunigt. Mit Gitarre, Pedal Steel, Bass, Piano, Geige, verhaltenen Drums, wie es passt. Dazu die sehr an den frühen Neil Young erinnernde Stimme. Cool, selbstbewusst, auf Gefühl und alte Geschichten fixiert, man könnte auch sagen: Werte. Auf Gastfreundschaft etwa wie Marta und Antifa, nämlich für Migranten, Schwule, alternative Jugendliche oder Normalos, die nachdenken. Für alle, die von 5?000 Polizisten in Dortmund abgeschirmte Nazis wieder durch Kamine schicken wollen. Wer nun staunt, höre das Album oder lese Sebastian Lebers Tagesspiegel-Artikel „Danke, liebe Antifa!“ vom 24. Januar 2014 nach. Bitter-sweet heißt es da: „Hinterher werden stets die Bürger gelobt, die sich im Kreis an den Händen festhielten.“ Marta-Verächter, die es zu Füßen des Herrn bequem haben. Zum Glück geht’s auch anders.

Udo Feist

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