Mensch mischt mit

Bewahrung und Raubbau in München
Foto: pixelio/Dietmar Meinert
Der Mensch ist Zerstörer und Bewahrer zugleich, er dezimiert die Artenvielfalt, zugleich setzt er sich aber auch für deren Erhalt ein.

Willkommen im Anthropozän - dem Zeitalter der Menschen. Willkommen in der Epoche der Menschheitsgeschichte, in der der Mensch am Hebel sitzt. Der Mensch erfindet, forscht, baut und ganz nebenbei verändert er das Leben auf dem Planeten. Nicht immer bewusst, aber doch stets wirkungsvoll.

"Willkommen im Anthropozän" - so heißt auch eine Ausstellung im Deutschen Museum in München. Der Begriff Anthropozän ist noch jung. Fünfzehn Jahre ist es her, dass der niederländische Chemie-Nobelpreisträger Paul J. Crutzen erstmals vom Zeitalter der Menschen, dem Anthropozän, gesprochen hat. In diesem Zeitalter, so seine These, hat der Mensch den größten Einfluss auf die Welt, in der er lebt - auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde.

Der Mensch mischt überall mit. Er greift bewusst oder unbewusst in die Mechanismen der Evolution ein und verändert natürliche Biorhythmen. Ein Beispiel ist der Bereich Mobilität und Transport: Der Mensch hat Pflanzen und Tiere von Kontinent zu Kontinent, von Land zu Land umgesiedelt. Um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert etwa verschiffte der Botanische Garten Berlin rund 16.000 Jung-Pflanzen in die deutschen Kolonien - erst seitdem gibt es Zwiebeln, Tomaten und Karotten auf dem afrikanischen Kontinent. Und Indien ist heute nur deshalb einer der größten Tee-Exporteure weltweit, weil ein schottischer Gärtner Teesetzlinge von chinesischen Plantagen nach Indien geschmuggelt hat.

Der Mensch treibt aber auch Raubbau: Er überfischt die Weltmeere, betreibt Monokultur und überdüngt die Felder. Rund siebzig Prozent des weltweit genutzten Süßwassers geht in die Feldbewässerung. Allein für die Produktion von einem Kilogramm Röstkaffee braucht man 21.000 Liter Wasser. Der Mensch ist Zerstörer und Bewahrer zugleich, er dezimiert die Artenvielfalt, zugleich setzt er sich aber auch für deren Erhalt ein.

Wie wollen wir in Zukunft leben? Wie lassen sich beispielsweise Lebensmittel möglichst wassersparend produzieren? Welche Rohstoffe lassen sich wie recyceln? Ideen präsentiert die Ausstellung viele: angefangen beim upcycling, dem Umwandeln von Abfall in neuwertige Produkte bis hin zur Züchtung von Fleisch im Reagenzglas. Auf zahlreichen Papiertulpen haben die Ausstellungsbesucher ihre Gedanken aufgeschrieben. "In 100 Jahren wird in den Geschichtsbüchern stehen, sie hätten es verhindern können, haben es aber nicht", hat jemand auf eine der Blüten notiert.

Im Anthropozän wird viel geforscht. Die Technik prägt heute viele Teile der Erde. Elektrifizierung und Digitalisierung haben das Leben auf der Erde tiefgreifend verändert. Und es ist ein alter Menschheitstraum, dem Menschen ähnliche, autonome Maschinen zu bauen. Noch ist das ein Traum. Aber wer weiß. Denn schon oft war eine Vision doch nicht so unrealistisch, wie manch einer annahm. 1878 etwa, bei der Weltausstellung in Paris, erschien Erasmus Wilson, Professor an der Oxford University, das elektrische Licht so neu, so unbekannt und so unglaublich, dass er sich zu einer für heutige Ohren gewagten Prognose hinreißen ließ: "Mit der Weltausstellung von Paris wird auch die Geschichte des elektrischen Lichts enden, und man wird nicht mehr davon hören."

Wilson lag falsch. Das elektrische Licht blieb keine Spinnerei von Utopisten. Es ist heute eine Erfindung, die aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Visionen der Gegenwart dem zukünftigen Leben auf der Erde nutzen.

Die Ausstellung "Willkommen im Anthropozän" ist bis 30. September 2016 zu sehen.

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Barbara Schneider

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