Vieles liegt im Ungewissen

Die Externsteine im Teutoburger Wald
Foto: pixelio/Dietmar Meinert
Ein Mythos liegt über den Externsteinen. Waren sie ein germanisches Heiligtum? Stand hier die heidnische Stele Irminsul, gab es einen Sonnenkult, eine Sternwarte?

Die Externsteine erinnern ein wenig an Stonehenge, die beeindruckende Steinformation scheint wie von Riesenhand hingeworfen (in der Sage war der Teufel im Spiel), und da sie mit ihren 47 Metern nicht hoch ist, hat man sie bald über die alte, behauene Treppe erklettert, um sich einen Rundumblick auf der von Menschenhand geschaffenen Plattform zu verschaffen. Der Blick geht in den geschichtsträchtigen Teutoburger Wald und das Lipperland.

Einen kleinen Nervenkitzel bietet das Überqueren der kurzen, schmalen Brücke, die von einem zum anderen Felsen führt. Wieder unten, entdeckt man am Nebeneingang der Grottenanlage ein Petrusrelief. Einer der Beweise, dass es an den Externsteinen, ganz in der Nähe der Stadt Horn-Bad Meinberg, früh christliches Leben gab. Noch heute finden hier Gottesdienste statt, und im vergangenen Jahr feierte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Lippe „900 Jahre Kapelle an den Externsteinen“ mit einem ökumenischen Gottesdienst. Anlass war die Altarweihe in der unteren Kapelle im Jahr 1115 durch den Paderborner Bischof Heinrich II, auf die eine inzwischen kaum noch lesbare Inschrift im Inneren der Hauptgrotte hinweist. Wen das näher interessiert, der besucht das moderne Informationszentrum, wo es mit Kurzfilmen und Mitmachstationen auch für Kinder interessant ist.

Man erfährt, dass sich erst zweihundert Jahre nach der Altarweihe eine richtige Kapelle nachweisen lässt, nahe der Einsiedelei Externsteine, die dem Heiligen Kreuz geweiht war. Ganz weltlich stritten sich hier Kapellenrektor und Eremiten um die Opfergelder, die Gläubige an verschiedenen Stellen hinterlegten. Da der Streit ziemlich ausuferte, wurde – zum Glück für die Forscher – alles schriftlich festgehalten.

Vieles liegt im Ungewissen, nicht einmal der Name scheint gesichert. War mittelhochdeutsch der Eghesterensteyn, also der Elsternstein, oder das nahe Paderborner Kloster Abdinghof mit Agistersten Taufpate? Oder die Egge, auch scharfe Schneide, Schwert oder Saumrücken? Das wäre immerhin Germanisch. Der heutige Name setzte sich erst im 19. Jahrhundert durch.

Ein Mythos liegt über den Externsteinen. Waren sie ein germanisches Heiligtum? Stand hier die heidnische Stele Irminsul, gab es einen Sonnenkult, eine Sternwarte?

Zumindest behaupteten das unseriöse Forscher einer völkisch-nationalen Weltanschauung und spielten damit den Nazis Material in die Hand, das zu einem regelrechten Kult diente. Absolut nichts ist bewiesen, mit moderner Technik sind lediglich Rauchspuren messbar, die frühestens im Jahr 555 in den künstlichen Höhlen entstanden. Das kümmert rechte Gruppierungen wenig, von denen einige sich hier noch immer treffen. Dabei kollidieren sie speziell zur Walpurgisnacht und Sonnenwende mit einer ganz anderen Klientel, nämlich Verehrern von Kelten, Germanen – und mit Esoterikern. Alle meinen, Kraftfelder zu spüren, einige der selbsternannten Druiden, Hexen, Schamanen und ihr Gefolge rufen Odin an, andere spielen leise die Holzflöte. So richtig los ging es mit dem Zauber vor etwa zwanzig Jahren, doch als es in Trinkgelage, Schlägereien und wildes Zelten mit Müllbergen ausuferte, setzte die Gesellschaft zum Schutz der Externsteine mit rigiden Verordnungen dem nächtlichen Treiben ein Ende. Und wieder kehrte Ruhe ein.

Es empfiehlt sich ohnehin, von den Felsen (und Besuchern) abzuweichen, die Lehrwanderpfade zu nutzen, das Naturschutzgebiet mit seiner biologischen Station zu besuchen und sich an den geschützten Pflanzen zu erfreuen, wie den seltenen wilden Orchideen. Und wenn dann, mit etwas Glück, am Abend der Uhu ruft, mag auch der Normalbürger sein ganz besonderes Erlebnis haben, was ihm Kraft für den nächsten Tag gibt.

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Angelika Hornig

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