Begrenzte Macht

Über Gott und Geld
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Gott hat ein Selbstverhältnis, Geld dagegen kein Für-sich-Sein. Doch es kann zum Zweck werden und subjektiven Sinn stiften.

Geld hat Geltung, es kann vom Mittel zum Zweck werden und dann geradezu substanziell erscheinen. Mit Bezugnahme vor allem auf die großangelegte „Philosophie des Geldes“ des Soziologen Georg Simmel und gerne auch auf Walter Benjamins Fragment „Kapitalismus als Religion“ wird in den aktuellen Kulturwissenschaften dem Finanzmedium öfter eine quasi-göttliche Dimension bescheinigt.

So interpretiert es der Literatur-und Medienwissenschaftler Jochen Hörisch als ein „Leitmedium“ des Abendlandes, welches das vorherige, das Abendmahl, abgelöst habe, das zuvor vorzüglich dazu diente, Sinn auf Sein zu beziehen. Die etymologische Wurzel des Kredits im Credo wird ebenfalls gerne bemüht; vielsagend erscheint in diesem Kontext auch der Umstand, dass das Geld vermutlich zuerst als religiöse Opfergabe fungierte, bevor es zum Zahlungsmittel im Warenhandel wurde.

Und was sagt die Theologie dazu? Der in Halle-Wittenberg Systematische Theologie lehrende Jörg Dierken hat darüber einen lesenswerten und anregenden Essay publiziert, Gott und Geld, der vom Ergebnis her freilich nicht überrascht: Dierken geht den strukturellen Analogien nach, beharrt aber auf dem kategorialen und substanziellen Unterschied, wenn er die „Ähnlichkeit im Widerstreit“, so der Untertitel des schmalen Buchs, untersucht. Er bezieht sich auf zwei theologische Ansätze, nämlich Überlegungen des Wiener Systematikers Falk Wagner (1939–1998) und Alois Halbmayr, katholischer Dogmatiker in Salzburg.

Von den neueren kulturwissenschaftlichen Einlassungen zum Finanzthema würdigt er besonders David Graebers Abhandlung „Schulden“, die eben jene als die Urform des Geldes begreift und Gründe dafür liefert, dass sie zu erlassen seien. So kommt auch der christliche Aspekt ins Spiel, der Gabe und Geschenk als wertvoller und heilsamer würdigt als ein selbstbezogenes Nehmen – als das Streben nach Profit.

Dierken geht es weniger um den spekulativen, interpretierenden Vergleich, wie er in den kulturwissenschaftlichen Studien im Vordergrund steht. Der Theologe ist viel eher an Konsequenzen volkswirtschaftlicher Art aus der Perspektive der christlich-protestantischen Wirtschaftsethik interessiert. Mit Blick auf die Verhältnisse im Spätkapitalismus und Fehlentwicklungen plädiert er für Chancengleichheit in punkto Bildung und das Abfedern sozialer Härte als soziale Komponenten einer marktwirtschaftlichen Ordnung.

Schon Alois Halbmayr hebt hervor, dass das zentrale Prädikat der Gerechtigkeit in der Gottesrede keine Entsprechung in der Geldökonomie finde. Zwar verbinde auch Geld Gedankliches und Reales, so Dierken, und mache es ineinander übersetzbar; Geld bleibe aber ein reines, wenn auch universelles Mittel und also funktional bestimmt. Gott hat ein Selbstverhältnis, woraus, gemäß der Idee der Gottebenbildlichkeit, das menschliche erst resultiert. Geld dagegen hat kein Für-sich-Sein – Georg Simmel sprach von seiner „substanzgewordenen Relativität“; und erst recht hat es keine Selbstursächlichkeit, was der Gottesbegriff aber einschließt.

Von Simmel ausgehend folgert Dierken: Geld kann zum Zweck werden und subjektiven Sinn stiften, im Wunsch, noch mehr davon zu besitzen. Seine Zweckhaftigkeit bleibt aber mittelbar, auf den Zweck weiteren Gelderwerbs ausgerichtet. Geld hat Geltung, was sich schon aus der etymologischen Nähe beider Begriffe ergibt; doch diese Geltung ist begrenzt. Allein Gott kommt die Dimension des Absoluten zu. Er allein wird als allmächtig gedacht. Und so kann die Differenz der Kategorien dazu dienen, sich über jede (wieder) etwas klarer zu werden.

Thomas Groß

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