Gottes Agentin

Das Leben von Teresa von Ávila
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Linda Maria Koldau führt ihre Leserschaft durch das Leben Teresas wie durch eine Burg mit den unterschiedlichsten Zimmern.

"Ich möchte unsere Seele als eine Burg betrachten, die aus einem einzigen Diamanten oder einem sehr klaren Kristall besteht und in der es viele Gemächer gibt." So beginnt Teresa von Avila (1515-1582), Ordensschwester und Klostergründerin im kastilischen Avila, ihr Buch "Die innere Burg", eines der Hauptwerke der christlichen Mystik.

Viele Gemächer. Dieses Bild ist bei der Lektüre der von Linda Maria Koldau verfassten Biographie über die spanische Mystikerin stets präsent. Denn Koldau, Professorin für Kulturgeschichte an der Universität Utrecht, führt ihre Leserschaft durch das Leben Teresas wie durch eine Burg mit den unterschiedlichsten Zimmern. Innere Empfangsräume, Kemenaten, Kapellen, Klosterzellen und vieles mehr gibt es in dieser detailgenau erzählten Lebensgeschichte zu entdecken.

Porträtiert wird Teresa von Avila nicht nur als Gelehrte und Schriftstellerin, sondern auch als Diplomatin, Unternehmerin, Managerin und erste Frau, die von der römisch-katholischen Kirche zur Kirchenlehrerin erhoben wurde. "Innere Dürre", die zum geistlichen Tod führe, attestierte die Ordensfrau vor 500 Jahren ihrer Kirche.

Papst Franziskus spricht heute von "spirituellem Alzheimer" als einer Krankheit, die der Kirche drohe. Wenn Koldau beschreibt, wie Teresa das Leben ihres Klosters vor dem von ihr initiierten Reformprozess erlebte, dann ist es durchscheinend für Erfahrungen des 21. Jahrhunderts: "Durch maßlose Erweiterung, Missachtung von Qualitätskriterien, schlechtes Management und verantwortungslose Leitung" wurde das Klosterleben von innen her zersetzt. Dagegen kämpfte Teresa von Avila ein Leben lang an, in dem sie die Regeln der Unbeschuhten Karmelitinnen, ihrer Ordensschwestern, von Grund auf erneuerte und zu einer der großen Klostergründerinnen wurde. Nicht weniger als 17 neue Klöster baute die "Mutter Gründerin" auf, zuerst nur für Frauen, in späteren Jahren durch Unterstützung bedeutender Theologen wie Johannes vom Kreuz auch für Männer.

Der "inneren Dürre" stellte Teresa quasi als Eingangstor zur "inneren Burg" dabei das "innere Gebet" gegenüber. Ein sehr intimes Gebet, frei von liturgisch festgeschriebenen Formen. Ein direkter Austausch der Seele mit Gott. Je mehr sie sich auf diesem Weg übte, desto intensiver erlebte sie die Nähe Gottes, bis sie im Alter von 39 Jahren ihre ersten mystischen Erfahrungen machte. Je tiefer die mystischen Entrückungen, desto größer wurden ihre geistige Unabhängigkeit und ihre Kraft für Reformen.

Wie gefährlich damit die mystischen Erlebnisse der unerschrockenen und lebensklugen Nonne der Amtskirche erschienen, schildert Linda Maria Koldau kenntnisreich in einem der zehn Kapitel ihres Buches. Spannend erzählt sie von den Verfolgungen der Inquisition, denen Teresa mit zunehmendem Alter und Einfluss ausgesetzt war. Mitarbeiter von ihr wurden entführt, andere mussten befürchten, vergiftet zu werden. Sie selber wehrte sich zeitlebens dagegen, als Frau und als Nachfahrin einer vom Judentum zum Christentum konvertierten Familie mundtot gemacht zu werden.

Trotz Zeiten schwerer Krankheiten und Phasen der Depression trat Teresa von Avila immer wieder als eine willensstarke, humorvolle und äußerst kommunikative Person auf, die in vielfältigem Kontakt zu ihrer Familie, ihren Ordensschwestern, theologischen Gelehrten und sogar dem spanischen König stand. Allein der Machtkampf zwischen dem königlichen Madrid und dem päpstlichen Rom, in den sie wider Willen geriet, liest sich wie ein Krimi.

Eine Agentin Gottes war Teresa von Avila damit im vollsten Sinn dieses Wortes.

Linda Maria Koldau: Teresa von Avila. - Agentin Gottes 1515-1582. Verlag C. H. Beck, München 2014, 316 Seiten, Euro 22,95.

Sonja Domröse

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