Glücksbringer

Geistliche Musik von Vivaldi
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Jarrouskys hoch sensibel modulierende Stimme ist wie geschaffen dafür, das Bild der trauernden Maria auf Golgatha in Klang zu verwandeln.

Innerhalb von zehn Jahren hat sich Philippe Jaroussky zu einem der gefragtesten Countertenöre gemausert. Auftritte auf den großen Bühnen der Welt, zahlreiche Preise und mehr als 30 CD-Veröffentlichungen prägen dieses erste Jahrzehnt in der Karriere des Franzosen. Ein Fixpunkt ist dabei stets die Beschäftigung mit Antonio Vivaldi gewesen; auch Jarousskys neuestes Album "Pietà" widmet sich wieder dem italienischen Barockkomponisten.

Dass es sich nicht bloß um eine weitere von vielen Vivaldi-Aufnahmen handelt, macht Philippe Jaroussky in einem sehr persönlich gehaltenen Vorwort zur CD klar. "Pietà" sei die erste Einspielung mit seinem eigenen Ensemble "Artaserse" in großer Besetzung, schreibt er - "ein bewegendes Abenteuer", da er zugleich dirigiert und gesungen habe. Er hoffe, so Jaroussky weiter, "dass diese Einspielung der Beginn einer neuen Richtung in meinem Leben als Musiker sein wird. Möge Vivaldi mir Glück bringen, wie er es stets getan hat!" Dafür hat Jaroussky geistliche Werke ausgewählt, die Vivaldi für die Altstimme geschrieben hat - weibliche Solistinnen ebenso wie Kastratentenöre und Falsettisten. Das berühmte "Stabat Mater" darf nicht fehlen, zumal sich der Künstler hier gewissermaßen in seiner "Homezone" befindet. Die hoch sensibel modulierende Stimme ist wie geschaffen dafür, das Bild der trauernden Maria auf Golgatha in Klang zu verwandeln. Ganz und gar irdisch im Mitgefühl, doch zugleich himmlisch-entrückt in einem feierlichen Ernst, der schon über den Tod am Kreuz hinausweist, bevor zum Schluss ein tröstlicher Dur-Akkord erklingt.

Eine ähnliche Haltung prägt das Stück "Filiae Maeste Jerusalem", die betrübten Töchter Jerusalems, doch Philippe Jaroussky hat sich auch ganz anderer Kompositionen angenommen. Da ist zum Beispiel "Clarae stellae, scintillate", das musikalisch tatsächlich so funkelt, wie es der Titel verspricht. So verspielt und fröhlich hat man selten ein Hallelujah gehört. Ein wahrer Ausruf der Freude, ein lebendiger Kontrast zur bloßen Deklamation eines Wortes, die im Gottesdienst allzu oft anzutreffen ist.

Nun hat Vivaldi, obwohl ein Priester, ja beileibe nicht nur geistliche Musik komponiert. Im Gegenteil: Alle zu Lebzeiten im Druck veröffentlichten Werke - darunter "Die vier Jahreszeiten", waren weltliche Literatur. Philippe Jarousskys "Pietà" zeigt schließlich, welche hohe Meisterschaft der Venezianer erreichte, wenn er die beiden Sphären vereinte, wenn opulente Opernmelodik ins geistliche Schaffen hinübergriff. Das sprühende "Gloria" ist ein Beispiel ebenso weniger bekannter Kompositionen wie die herrliche Motette "Longe mala, umbrae, terrores". Ein ergreifender Glücksbringer.

Vivaldi - Pietà. Sacred works for Alto. Philippe Jaroussky und das Ensemble Artaserse. ERATO (Warner Music) 0825646257508.

Ralf Neite

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