Nonkonformistisch

Erbe der Bekennenden Kirche
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Wo war der Geist der Bekennenden Kirche in der Kirche der DDR zu finden? Dieses Buch zeichnet ein differenziertes Bild.

Man meint, man sei dabei gewesen - und hat doch nicht alles mitbekommen. Weil man in einem historischen Prozess niemals gleichzeitig an verschiedenen Orten sein kann. So geht es dem Rezensenten bei der Lektüre des kleinen Buches. Es handelt sich dabei um den Ertrag einer Tagung über das, was von den Maximen und Erfahrungen der Bekennenden Kirche (BK) in der DDR lebendig blieb.

Zwiespältig wurde das theologische Fundament der BK bereits 1934 in Barmen empfunden, wo einige Lutheraner nur mit einiger Überredungskunst zur Zustimmung zu bewegen waren. Nach 1945 meinte Otto Dibelius als erster Vorsitzender des Rates der EKD, nun könne man da wieder anfangen, wo man 1933 habe aufhören müssen. Die Protagonisten der BK konnten sich nicht durchsetzen und bildeten weiterhin eine eigene innerkirchliche Gruppierung. Mit dem "Darmstädter Wort" schuf sie sich ein eigenes Dokument der Umkehr aus den Verirrungen der Vergangenheit. In der DDR freilich zeichneten sich bald politische Verhältnisse ab, die mit denen in der Nazi-Zeit vergleichbar schienen.

Wenn auch die Barmer Theologische Erklärung dabei immer wieder als Ermutigung zum Bekennen dienen konnte, wurde doch seit den Sechzigerjahren Dietrich Bonhoeffer mehr und mehr zur hilfreichen Leitfigur. Er hatte schon bald in der Bekennenden Kirche die Gefahr der Selbstabschließung vor der Welt wahrgenommen. Dem setzten die evangelischen Kirchen nun ein neues Selbstverständnis entgegen. Heino Falcke, der zu diesem Band den aufschlussreichen Einführungsaufsatz beisteuert, hat 1972 diese neue Öffnung zur Gesellschaft mit seinem Synoden-Referat "Christus befreit, darum Kirche für andere" zum Ärger der sed offensiv und nicht defensiv beschrieben. Auch das aus der evangelischen Rechtfertigungslehre abgeleitete Kriterium der "Schuldübernahme" überträgt Falcke aus der Bonhoefferschen Ethik auf die Situation der Kirche in der DDR.

Auch in ostdeutschen Landeskirchen wurde allerdings der bischöfliche Aspekt der Kirchenleitung stärker betont, als es der "brüderliche" Kongregationalismus in Barmen III vorsah. Gleichzeitig beklagten sich bald Geistliche darüber, dass hinter seelsorgerlicher Brüderlichkeit klare Strukturen verschwammen, wie Axel Noack berichtet.

Blickten die Kritiker der Main-Stream-EKD im Westen auf die "Brüder" in der DDR, meinten sie dort das Erbe der BK häufig besser aufgehoben zu finden. Doch wo die Kirchenleitungen auf den Bekennermut der Gemeinden setzten - in der Frage der Jugendweihe zum Beispiel - versagten diese kläglich.

Selbst die Stuttgarter Schulderklärung von 1945 war in der EKD beiderseits der innerdeutschen Grenze aus unterschiedlichen Gründen lange umstritten. Später nutzte aber der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR den damit ermöglichten Zugang zur Genfer Ökumene derart, dass die ostdeutschen Kirchen schließlich - manchmal zum Ärger der EKD - als "Musterknaben der Ökumene" galten.

Resümierend stellt Martin Stöhr gegen Ende des Buches fest, dass "das nonkonformistische Erbe der Bekennenden Kirche nicht nur in Diktaturen auf Verwirklichung drängt, sondern in allen Staats- und Gesellschaftsformen". Das wendet Ellen Ueberschär, Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentages, sogar auf die notwendige Kritik von "Markt- und Optimierungslogiken" an.

Reinhard Höppner/Michael Karg (Hrsg.): Das Erbe der Bekennenden Kirche in der DDR. Radius Verlag, Stuttgart 2014, 165 Seiten, Euro 16, -.

Götz Planer-Friedrich

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