Europa muss sich ändern

Völkerrecht und Christenpflicht sprechen gegen Push-Backs nach Afrika
Europa wird sich die Flüchtlinge nicht vom Halse halten können. Auch Enklaven jenseits des Mittelmeeres sind keine Lösung.

Flüchtlinge in Seenot müssen gerettet werden. Das ist zum Glück Konsens unter ernstzunehmenden Menschen. Aber wohin sollen sie dann gebracht werden? Zurück nach Afrika? Was wäre damit gewonnen? Kamen sie da nicht her? Wollten sie nicht fliehen aus Bürgerkriegen, rechtlosen Zuständen und lebensfeindlicher Armut? Sollen sie dahin zurückgeschickt werden mit dem Hinweis darauf, dass Europa doch 0,41 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe ausgibt und irgendwann alles besser wird? Glaubt denn wirklich jemand, dass ein Flüchtling, der sich über tausende Kilometer bis hin zum Mittelmeer gekämpft hat, sich abhalten ließe, es ein zweites, drittes oder viertes Mal zu probieren, über das Meer nach Europa zu kommen? So genannte Push-Backs sind keine Lösung, zumal sie dem völkerrechtlichen "Grundsatz der Nichtzurückweisung" widersprechen.

Abschreckende Beispiele

Und das gilt auch, wenn in Nordafrika Lager errichtet werden, über denen das europäische Sternenbanner weht. Abgesehen von der Frage, mit welcher Berechtigung Europa wieder Land in den ehemaligen Kolonien für seine Zwecke beanspruchen will, sind gerade die Beispiele Ceuta und Melilla eher abschreckende Beispiele. Dass Marokko seit seiner Unabhängigkeit Anspruch auf beide Städte erhebt, zeigt schon den rechtlich fragwürdigen Hintergrund der spanischen Exklaven. Doch auch im Umgang mit Flüchtlingen sind rechtstaatliche Verfahren bei solchen Konstruktionen schwer zu garantieren. Ein Beispiel: Vor gut einem Jahr versuchten einige Dutzend Flüchtlinge die Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Ceuta zu umschwimmen. Die spanische Guardia Civil reagierte mit Gummigeschossen und Tränengas. Bei dem Einsatz starben mindestens 15 Menschen. Kein Einzelfall - immer wieder berichten Menschenrechtsorganisationen von verheerenden Zuständen in den überfüllten Lagern, vor dessen NATO-Draht oft tausende von Flüchtlingen lagern und auf Einlass hoffen. Eine Situation, die man sich in einem Land wie Libyen in seinen gegenwärtigen politischen Unsicherheiten schon gar nicht vorstellen möchte.

Nein, die Grenzen Europas über das Mittelmeer hinaus auszudehnen, ist keine Lösung, Europa wird sich die Flüchtlinge nicht vom Halse halten können - und das wäre mit Blick auf die so oft beschworene christliche Tradition auch eine fragwürdige Haltung.

Dublin-Regelung nicht zu halten

Die Flüchtlinge, die im Mittelmeer gerettet werden, müssen nach Europa gebracht werden und die EU muss den Umgang mit ihnen anders regeln. Die so genannte Dublin-Regelung, nach der allein das Land für den Flüchtling zuständig ist, in dem er als erstes EU-Gebiet betreten hat, ist nicht mehr zu halten. Sie verhindert, dass etwa syrische Flüchtlinge ungehindert von Italien zu Angehörigen nach Deutschland weiterreisen dürfen, die sie ja dann aufnehmen und unterstützen können. Zudem müssen alle EU-Mitgliedstaaten Flüchtlinge nach einer festen Quote aufnehmen, denn es kann nicht sein, dass vor allem krisengeschüttelte Länder wie Spanien, Griechenland und Italien mit den Flüchtlingsströmen umgehen müssen. Und Europa muss sich grundsätzlich fragen, wie es zukünftig mit einwanderungswilligen Menschen aus dem Süden umgehen will und einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen schaffen, der Flüchtlingskonventionen und Asylrecht flankiert. Denn es steht zu befürchten, dass eine globale Politik, die wirksam Armut bekämpft, Klimaschäden verhindert und lokale Konflikte nicht durch Waffen aus den reichen Ländern noch anheizt, noch lange auf sich warten lässt.

Jürgen Wandel: Entscheidung in Afrika

Stephan Kosch

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