Anspruchsvoll

Opfer in militärischen Einsätzen
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Ein wichtiges Buch, dessen Beiträge ganz unterschiedliche Anforderung an den Leser stellen. Dem Informationsgehalt tut das jedoch keinen Abbruch.

Die Probleme beginnen schon bei der Nomenklatur: das Wort "Kollateralschaden" wurde 2009 als Unwort des Jahres ausgewählt. Weil das die Opfer unzulässig zur Sache macht, wird in diesem Buch fast ausschließlich von "Kollateralopfern" gesprochen. Es handelt sich dabei um "zivile" zur Unterscheidung von "militärischen" Opfern, die es natürlich auch gibt. Dann werden die Gemeinten aber auch als "unschuldige Opfer" bezeichnet, was ein moralisches Urteil über die Opfer einschließt, das in diesem Falle unangebracht ist.

Gemeint sind im engeren Sinne jene Menschen, die beim Einsatz der Bundeswehr bei so genannten Humanitären Interventionen ungewollt und bedauerlicherweise zu Schaden kommen. Das medial besonders skandalisierte Beispiel dafür ist der Tod von 142 afghanischen Zivilisten beim Bombardement zweier entführter Tanklaster in der Nähe von Kundus. Ein anderes Beispiel, bei dem gerade noch verhindert wurde, dass es zu einem ähnlichen Unglück kommt, dokumentiert Major Mike Zimmermann akribisch auf acht Seiten.

Wie breit gefächert die faktischen Gegebenheiten, die militärischen, juristischen, psychologischen und seelsorgerlichen Aspekte dieses beklagenswerten Phänomens sind, wird in diesem Buch von entsprechend qualifizierten Experten dargestellt und diskutiert. Die Völkerrechtlerin Anna Gebhardt untersucht, wie die einschlägigen Bestimmungen des Humanitären Völkerrechts und der Menschenrechtskonventionen in solchen Fällen greifen. Da zivile Opfer in der Regel nicht grundsätzlich vermeidbar sind, "ist Amnesty International so zurückhaltend mit der Befürwortung militärischer Interventionen". Diese sind auch in den genannten völkerrechtlichen Regelungen gar nicht vorgesehen. Gerd Hankel, Völkerrechtler in Hamburg, fordert nicht als Erster "die Schaffung spezieller rechtlicher Regelungen, die den Besonderheiten des militärischen Einsatzes zu humanitären Zwecken Rechnung tragen". Solche Einsätze müssen in der Bundesrepublik vom Bundestag genehmigt werden. Deshalb ist auch dieser für Schäden politisch verantwortlich, die in seinem Auftrag unbeabsichtigt aber fast unvermeidlich geschehen.

Doch selbst was rechtlich geregelt scheint und politisch entschieden ist, ist ethisch noch keineswegs gerechtfertigt. Das lässt sich theoretisch überzeugend darlegen, was beispielsweise dem Theologen und Akademiedirektor Michael Haspel gut gelingt. Doch die seelischen Probleme, die die betroffenen Soldaten belasten, werden dadurch eher verstärkt.

Weil die Einsätze in Afghanistan oder Libyen nicht gegen fremde Invasoren erfolgten, sondern in einen bürgerkriegsähnlichen Konflikt eingreifen, können Kollateralopfer leicht die Zivilbevölkerung gegen die fremden Soldaten aufbringen. Gleichzeitig sind die Kombattanten von Nichtkombattanten oft gar nicht zu unterscheiden. Das alles setzt die Soldaten unter großen Druck. Immer häufiger leiden sie nach dem Einsatz unter posttraumatischen Störungen, über deren Einschätzung und Behandlung der Psychiater Peter Zimmermann einen wissenschaftlich anspruchsvollen Beitrag zu diesem Buch beisteuert. Hier ist aber auch der Einsatz der Militärpfarrer gefragt. Militärdekan Hartwig von Schubert beschreibt, wie die Seelsorge am Ort aber auch hinterher und ebenso an den Familien der Soldaten erfolgt.

Ein wichtiges Buch. Es gibt darin kurze und längere Beiträge. Sie stellen auch ganz unterschiedliche Anforderung an die Vorbildung der Rezipienten. Dadurch wirkt der Band etwas inhomogen, was dem Informationsgehalt jedoch keinen Abbruch tut. Der soliden Aufmachung des Bandes hätte ein gutes Lektorat der Texte entsprochen. Das hat offenbar gefehlt.

Matthias Gillner/Volker Stümke (Hrsg.): Kollateralopfer. Aschendorff Verlag, Münster 2014, 258 Seiten, Euro 46,00.

Götz Planer-Friedrich

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