Sonne bringt Geldregen

Kirchliche Solaranlagen können knappe Kassen füllen
Foto: Matthias Rietschel
Was sollen die Protestanten mit dem Geldsegen anno 2014 anfangen? Solaranlagen bauen!

Das Jahr 2014 war für die evangelische Kirche in Deutschland ein gesegnetes. Zumindest fiskalisch betrachtet: Erstmals dürften mehr als fünf Milliarden Euro Kirchensteuer an Landeskirchen geflossen sein. Klaus Winterhoff, Vorsitzender des EKD-Finanzbeirates erklärte, die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder sei durch gute wirtschaftliche Entwicklung kompensiert worden. Das werde aber nicht so bleiben, die evangelische Kirche befinde sich finanziell in einer "stabilen Seitenlage", weitere Reformen seien nötig.

Bekanntermaßen wird von Notfall-Medizinern durch die stabile Seitenlage sichergestellt, dass die Atemwege freigehalten werden. Ziel ist, den Patienten vor dem Erstickungstod zu bewahren. Nur so können die diagnostizierenden Ärzte mit einer Behandlung beginnen. Legen wir einmal zu Grunde, dass Klaus Winterhoff sein "Seitenlagen"-Bild bewusst gebraucht: Was sollen die Protestanten mit dem Geldsegen anno 2014 anfangen? Welche Therapie ist ratsam?

Solaranlagen bauen. Die evangelische Kirche besitzt in Deutschland mehr als 17.000 Dächer von Pfarrhäusern, über 9.400 Gemeindehäuser, gut fünftausend Kindertagesstätten, 3.300 Gemeindezentren, 6.600 Wohnhäuser und mehr als zehntausend weitere Gebäude wie Verwaltungszentren, Schulen oder Wohnungen. Eine gigantische Dachfläche, die die Kirche fit für die Zukunft machen könnte. Längst ist erwiesen, dass Sonnenkraftwerke nicht nur klimafreundlichen Strom liefern, man kann mit ihnen auch richtig viel Geld verdienen. Gern und oft verweisen kirchliche Solargemeinden auf die Bewahrung der Schöpfung: Wir haben soundso viele Treibhausgase eingespart. Wie viel Geld sie mit dieser guten Tat verdient haben, sagen sie in der Regel aber nicht.

Zwischenüberwchrift

Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um die zwanzigtausend Kirchen, bei denen Solaranlagen auf dem Dach oft schon wegen des Denkmalschutzes ein schwieriges Thema sind. Aber vierzigtausend weitere Dächer gibt es in evangelischen Gemeinden. Das ist ein gigantisches Potential zur Produktion von Sonnenstrom. Eine solche Investition ist aktuell eine sichere Geldanlage. Wer im ersten Quartal 2015 eine Dachanlage mit bis zu 40 Kilowatt Leistung ans Netz bringt, bekommt für die nächsten 20 Jahre über 12 Cent Einspeisevergütung für die produzierte Kilowattstunde. Der Strom aus der Steckdose des Gemeindehauses kostet aber gut 29 Cent. Nutzt die Kirche also ihre Kilowattstunde selbst, spart sie 17 Cent - 20 Jahre lang.

Nun wird der eine oder andere einwenden, Aufgabe der Kirche sei, den Glauben zu leben und zu verbreiten. Man muss sich das erstens aber auch leisten können. Der Strompreis hat sich für die Kirchen seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt, die absehbar steigenden Energiekosten könnten eines Tages zu einer neuen Entlassungswelle führen. Zweitens ist Solarkraft gelebter Glaube. Franz von Assisi formulierte einst: "Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, vornehmlich mit der edlen Herrin, Schwester Sonne, die uns den Tag schenkt durch ihr Licht und schön ist sie, und strahlend in großem Glanze: Dein Sinnbild, Höchster!" Oder um den Oldenburger Bischof Jan Janssen zu zitieren: "Mit der Nutzung erneuerbarer Energien leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung. Wir wollen nicht nur Sonntagsreden halten, sondern handeln."

Und Spaß macht es auch noch. Der Autor dieser Zeilen - selbst Betreiber einer Solaranlage - hat festgestellt, wie ihm das Ablesen der produzierten Kilowattstunden Freude bereitet. Plötzlich geht er bewusster mit Energie um, die Sonnenkraft hat ihn in diesem Punkt bekehrt.

Zwichenüberschrift

Der Bundesverband Solarwirtschaft schätzt, dass bereits mehr als zweitausend kirchliche Einrichtungen - auch anderer Konfessionen - in Deutschland die Sonne zur Erzeugung von Strom und Wärme nutzen. Natürlich eignen sich nicht alle Kirchendächer und natürlich sollten die Gliedkirchen der EKD den aktuellen finanziellen Spielraum nicht nur für die Sonnenkraft nutzen. Zu "Gottes Solarstrom i.G." könnte sie aber schon werden und der fossilen Weltzerstörungsindustrie kein Geld mehr überweisen.

Nebenbei könnte die Evangelische Kirche so ein neues Selbstverständnis entwickeln. Vom Kirchensolarpark über die ökumenische Energie-Genossenschaft bis zu Gemeinden, deren Mitglieder ihre Solaranlage aus der eigenen Tasche finanzieren - es gibt bereits heute etliche Modelle, mit der die Gläubigen zu Sonnenstromfabrikanten werden. Die evangelischen Kirchen könnten so dringend benötigtes Geld für die Sanierung baufälliger Gebäude generieren. Denn die Grundlage für eine Solaranlage auf dem eigenen Haus ist: Das Dach muss renoviert sein. Den Rest kann man dann mit dem selbstverdienten Sonnengeld in zehn Jahren nachholen.

Nick Reimer ist Umweltjournalist und Chefredakteur des Internetportals "Klimaretter.info".

Nick Reimer

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Foto: Matthias Rietschel

Nick Reimer

Nick Reimer ist Journalist und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema Umwelt- und Klimaschutz. Er lebt in Berlin.


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