Bilder ohne Scheu

Kinder malen den Tod
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70 Bilder über den Tod, gezeichnet von Kindern hauptsächlich zwischen neun und elf Jahren.

Kinder möchte man vor den schmerzhaftesten Erfahrungen schützen - nicht zuletzt vor der Begegnung mit Sterben und Tod. Doch Kinder sind neugierig, wollen das Leben kennenlernen, stellen zahllose Fragen nach dem "Was", "Warum" und "Wieso" - kleine Philosophen, wie Janusz Korczak sie beschrieb, von dem ein Zitat deshalb passenderweise an den Beginn des Buches von Martina Plieth gestellt wurde.

Erwachsenen verschlägt es oft die Sprache, wenn es um den Tod geht - vielleicht, weil Worte ein Element des Dialogs, des Lebendigen sind. Etwas, das sich zerschlägt und nicht mehr standzuhalten vermag, wenn es die Endgültigkeit eines Abschieds erfassen soll, der Bindungen zerreißt. Kinder, die - wie die Autorin erklärt - ihr "verbales Sprachvermögen" ohnehin erst entwickeln müssen, sind dennoch nicht ohne Vorstellung, was den Tod und das Sterben betrifft.

Über 70 Bilder hat Martina Plieth zusammengetragen, von Kinder hauptsächlich zwischen neun und elf Jahren. Leider wird nicht erzählt, in welchem Kontext sie entstanden sind. Überall in ihnen findet man Elemente wieder, die stark kulturell und kirchlich geprägt sind, die ihren Ursprung in Kunst oder Comic haben: Uhren, die ablaufen, ein Lebensfaden, der mit einer Schere zerschnitten wird, ein Himmel, der weint; es gibt Skelette, Sensenmänner in wehenden Umhängen und Schutzengel: Sprachliche und andere Bilder, die die Kinder für sich übernehmen, sie aber auch umdeuten.

Berührend ist, zu sehen, wie sehr den Kindern die Bedürfnisse der Hinterbliebenen (oder: Hinterbleibenden, wie Martina Plieth das lieber formuliert) bewusst sind: "Wenn jemand stirbt, den du mögst(!)", heißt es zu einem Bild, "dann bist du sehr verletzt". "Wenn du stirbst, dann bricht alles zusammen." Tränen sind erlaubt und Trost notwendig. Verstorbene sollen auf einem Friedhof gemeinsam mit anderen bestattet werden, denn: "Ein Toter ist nicht gern allein." Oft wird gegen die Grausamkeit des Todes quasi mit Farben und bunten Blumen Widerspruch eingelegt.

Vor allem aber ist eins deutlich: Die Kinder haben keine Scheu, ihre Ängste auszudrücken: Vor der Plötzlichkeit des Todes, vor seiner Unabwendbarkeit. Bilder vom Sterben können gar erschreckend drastisch und blutig daherkommen, vor allem, wenn sie von Jungen gemalt sind - inklusiver abgeschnittener Körperteile.

Wie sehr solche Bilder dazu dienen können, sich als Erwachsener mit eigenen Todesvorstellungen auseinanderzusetzen, wie die Autorin sich das wünscht, sei dahingestellt. Sie öffnen aber sicherlich einen Weg, über dieses Thema mit Kindern offen und ohne falsche Angst zu sprechen.

Martina Plieth: Auch Tote sind nicht gern allein. Kreuz Verlag, Freiburg im Breisgau 2014,160 Seiten, Euro 16,99.

Natascha Gillenberg

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Foto: privat

Natascha Gillenberg

Natascha Gillenberg ist Theologin und Journalistin. Sie ist Alumna und Vorstand des Freundes- und Förderkreises der EJS.


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