Die praktizierten Eingriffe in das Empfängnis- und Geburtsgeschehen werden zum Teil bis heute von Kirchen abgelehnt oder zumindest beargwöhnt. Doch diese medizinischen Methoden werden inzwischen als selbstverständlich weithin akzeptiert. Gleichzeitig treten wegen der erheblich verlängerten Lebensdauer im hohen Alter vielfach Krankheiten auf, die im besten Fall gelindert, aber nicht mehr behoben werden können. Die Häufung der Behinderungen beeinträchtigt die Lebensqualität. Es muss nicht eine schwere Krebserkrankung sein, die das Leben für einen Menschen unerträglich macht. Abschreckend wirken schon die immer häufiger auftretende Alzheimer- oder Demenzerkrankungen.
Der katholische Theologe Hans Küng hat die progressive Demenzerkrankung seines Freundes und Kollegen Walter Jens aus nächster Nähe miterlebt. Der wollte dieser nie ausgesetzt sein; doch er hatte den Zeitpunkt verpasst, seinem Leben ein selbstbestimmtes Ende zu setzen. Schon in den Achtziger Jahren hatten beide miteinander in einer Vorlesungsreihe dieses Thema behandelt. Jetzt, schreibt der nunmehr 86-jährige Autor, wo die Gefahr bestehe, "tatsächlich nur noch 'ein Schatten meiner selbst' zu sein, muss ich mir ernsthaft überlegen, ob das tatsächlich der Wille Gottes ist".
In der EKD beklagt man vor allem eine Kommerzialisierung der Sterbehilfe - etwa durch die Schweizer Sterbehilfeorganisation EXIT. Dabei wird übersehen, dass das deutsche Gesundheitssystem längst weitgehend kommerzialisiert ist, so dass es sich lohnt, Sterbende möglichst lange an teure Apparate angeschlossen zu lassen. Im vorangestellten Interview mit der Journalistin Anne Will protestiert Küng dagegen, dass man "den Sterbetourismus, den man selbst verursacht hat in Deutschland, den Eidgenossen vorwirft". Dass die Deutschen große Scheu vor dem schrecklich missbrauchten Wort "Euthanasie" haben, versteht er gut. Dennoch müsse man auf die damit ursprünglich verbundene "große ethische Tradition" nicht verzichten.
Küng verteidigt aus rationalen Gründen und mit empirischen Belegen nicht nur die passive Sterbehilfe, die ja unter bestimmten Bedingungen auch hierzulande erlaubt ist. Er findet unter ebenfalls restriktiven Bedingungen die aktive Sterbehilfe durchaus nicht als inhuman. Er plädiert aber angesichts mancher "missglückter Suizidversuche" ausdrücklich für eine "medizinische Sterbehilfe". Hier bringt er auch den christlichen Glauben ins Spiel und schreibt vom "Alterssuizid aus Gottvertrauen". Überzeugend erklärt er, weshalb er am Glauben an das ewige Leben festhält: "Das Leben wird verändert, nicht genommen", schreibt er und beschließt das Buch mit einem Gebet.
Dieses sehr persönliche Buch vom "glücklichen Sterben" ist von tiefer "Ehrfurcht vor dem Leben" geleitet. Nicht nur christlich geprägte Menschen werden hier viel Hilfreiches im Blick aufs eigene Sterben erfahren können. Die schöne Aufmachung des kleinen Buches mit festem schwarzem Einband und weißem Schutzumschlag kann auf gute Weise das Dunkle und Helle, das Schmerzliche und das Hoffnungsvolle des Sterbeprozesses symbolisieren.
Hans Küng: Glücklich sterben? Piper Verlag, München 2014, 160 Seiten, Euro 16,99.
Götz Planer-Friedrich