Reformiert?

Zwölf Profile
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Ein gelungener Band, dem viele Leserinnen und Leser innerhalb und außerhalb der reformierten Theologie zu wünschen sind.

"Was heißt eigentlich 'reformiert'?", fragen die beiden Herausgeber, Professor für Systematische Theologie in Hannover der erste, Leiter des Bereichs Theologie der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn der andere, gleich zu Anfang. Und die Frage ist durchaus wichtig. Denn die Aufnahme mancher der zwölf im Band versammelten Theologen und Theologinnen verwundert - zumindest auf den ersten Blick.

Dass der Band mit Karl Barth (porträtiert von Michael Weinrich) startet, ist sinnig, weil seine Theologie auf einen großen Teil der reformierten Theologie im 20. Jahrhundert befruchtend gewirkt hat. Dass Wilhelm Niesel (vorgestellt von Hans-Georg Ulrichs), Willem Adolf Visser 't Hooft (durch Wolfgang Lienemann gezeichnet) und der von Marco Hofheinz beschriebene Jürgen Moltmann aufgenommen wurden, ist selbstverständlich. Und nachvollziehbar ist es sicher auch bei Oepke Noordmans (Akke van der Kooi), Christiaan Frederick Beyers Naude (Ralf K. Wüstenberg) und Thomas F. Torrance (Alasdair I. C. Heron).

Überrascht ist der Lesende vielleicht eher bei Reinhold Niebuhr (Matthias Zeindler), der "sich nicht ausdrücklich als reformierter Theologe verstanden" hat, und auch bei Bischof J. E. Lesslie Newbigin (John G. Flett), bei dem das reformierte Profil nicht auf den ersten Blick deutlich ist. Die koreanische Theologin Soon Kyung Park (Meehyun Chung?/?Lisa J. M. Sedlmayr) ist mit ihrer Betonung auf der Minjung-Theologie sicher nicht als Mainstream-Reformierte zu kennzeichnen, Colin Gunton (Stefan Heuser) setzt in seiner Trinitätslehre deutlich andere Akzente als die "klassische reformierte Theologie", und die sich immer am Rande der Kirche befindende Letty Russell (Margit Ernst-Habib) stammt zwar aus reformierter Tradition, ist aber doch auch nicht einfach in ihr zu verorten.

Dass die Auswahl doch ihren Reiz und ihre Berechtigung hat, zeigt sich beim genauen Hinschauen. Denn alle Beiträge porträtieren nicht einfach die vorzustellenden Personen, sondern machen die reformierte Identität zur unabweisbaren und damit die gegenwärtige Theologie und Kirche herausfordernden Frage: Was ist eigentlich reformiert? Ist es vor allem eine biographische Herkunftsnotiz? Ist es der (explizite) Bezug auf die reformierten Traditionen oder reformierten Väter (und wenigen Mütter)? Und hat sie auf der ganzen Welt Konstanten? Was also ist heute reformierte Theologie? Die Antwort ist - das zeigt der Band - pluriform und hat es mit unterschiedlichen Kontexten zu tun, in denen reformierte Theologie arbeitet. Zugleich aber zeigt sich nicht selten "die Verletzlichkeit der reformierten Tradition"(mit Verweis auf Dirkie Smit) als ihr Charakteristikum - anders gesagt: Manchmal hatten die Autoren und Autorinnen ihre liebe Mühe, die reformierten Akzente herauszustellen - und sahen gerade darin nicht selten das ureigene Profil reformierter Theologie. Ob das nicht auch die Gefährdung impliziert, sich von Strömen abzuschneiden, die einen nähren, mag zuweilen als kritische Anfrage kommen - auch bei grundsätzlicher Sympathie für kontextbezogene Theologie.

Die Beiträge sind durchweg gut, ja zum Teil sogar spannend zu lesen, und zeigen viele unbekannte und anregende Facetten reformierter Theologie auf. Sicher hätte der eine oder die andere bei der Auswahl noch gerne andere Namen gesehen. Ich vermisse zum Beispiel Kornelis Heiko Miskotte mit seiner alttestamentlichen Bezogenheit. Aber das ist eher eine Petitesse: Ein gelungener Band, dem viele Leserinnen und Leser innerhalb und außerhalb der reformierten Theologie zu wünschen sind.

Marco Hofheinz / Matthias Zeindler (Hg.): Reformierte Theologie weltweit. Zwölf Profile aus dem 20. Jahrhundert. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2013, 332 Seiten, Euro 36,90.

Georg Plasger

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