Räume schaffen gegen Gewalt

Gespräch mit der EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber über die Kirchen in der Ukraine
Foto: epd/Norbert Neetz
Foto: epd/Norbert Neetz
Die meisten der 45 Millionen Einwohner gehören einer der beiden großen orthodoxen Kirchen der Ukraine an. Die EKD versucht über ihre Auslandsarbeit, offene Räume zum Austausch zu schaffen, ohne Gewalt und Zensur, wie die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber im Gespräch erläutert.

zeitzeichen: Frau Bischöfin, zwischen Lemberg und Donezk gibt es drei konkurrierende Kirchen, die russisch-orthodoxe mit ihrem Patriarchen in Moskau und die ukrainische-orthodoxe mit ihrem eigenen Patriarchen in Kiew. Und es gibt die griechisch-katholische Kirche wieder, die der Stalinismus verboten hatte. Römische Katholiken, Freikirchen und Lutheraner nicht zu vergessen. Mit welchen Kirchen unterhält die EKD Beziehungen?

Petra Bosse-Huber: Wir sind über den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) mit allen ukrainischen Kirchen verbunden, die im ÖRK oder in den europäischen Kirchenverbünden Mitglied sind. Zum anderen haben wir auch eigenständige Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen in der Ukraine oder zu den lutherischen Kirchen. Außerdem gibt es einen sehr engen Kontakt zu unserer EKD-Auslandsgemeinde in Kiew, zu Pfarrer Ralf Haska, und zur lutherischen Gemeinde in Odessa, die der bayerische Pfarrer Andreas Hamburg betreut.

Wie gestalten sich die Beziehungen zu den ökumenischen Partnern?

Petra Bosse-Huber: Wir versuchen, über gemeinsame Friedensgebete, über Aufrufe zur Gewaltfreiheit und gegen Militarisierung unsere kirchlichen Partner zu unterstützen. Mit den Partnern im ÖRK oder mit den anderen europäischen kirchlichen Partnern fördern wir die Kirchen in der Ukraine, die solche gemeinsamen Plattformen gründen.

Das eine sind Friedensgebete und die Aufrufe gegen weitere Bewaffnung. Sind Sie auch inhaltlich mit den beiden orthodoxen Kirchen im Gespräch?

Petra Bosse-Huber: Es gibt natürlich ein Netzwerk von Kontakten und Gesprächen. Ob die Meldungen stimmen, dass einzelne Priester der ukrainisch-orthodoxen Kirche mit den Separatisten in Donezk und Lugansk kooperieren, oder ob das Propaganda ist, wissen wir nicht sicher. Aber unsere ökumenischen Partner im Moskauer Patriarchat versuchen derzeit alle Separierungstendenzen nach Möglichkeit fernzuhalten. Das Patriarchat in Moskau verhält sich auffallend distanziert und neutral zur Ukrainepolitik Wladimir Putins, obschon sonst eher eine Nähe zum russischen Staat und zur Politik Putins vorherrscht. Doch in der jetzigen Situation würde eine klare Positionierung die separatistischen Tendenzen auch in der Orthodoxie noch einmal befördern. Um die Einheit zu wahren, so vermute ich, verhalten sich unsere ökumenischen Geschwister in Moskau also eher distanziert.

Wie wirkt sich der Krieg auf die Beziehungen aus, die die EKD zu den Kirchen pflegt?

Petra Bosse-Huber: Die meisten Kontakte in die Ukraine sind nicht bilateral, sondern ökumenisch und international. So wie die Katholiken, auch die deutschen, über den Vatikan agieren, und nicht national oder die Orthodoxen über Moskau, so nutzt die EKD die europäischen Organisationen und den ÖRK. Die konkreten Ansprechpartner etwa für die deutschen Auslandspfarrer vor Ort sind ökumenisch offene Priester in der Ukraine, sowohl der ukrainisch-orthodoxen Kirche, als auch die Pastoren der Freikirchen, Geistliche der griechisch-katholischen, der römisch-katholischen, der ukrainisch-orthodoxen und auch der ukrainisch-autokephalen orthodoxen Kirche. Wir versuchen mit diesen konkreten Partnern etwas für die Menschen auf die Beine zu stellen.

Was kann die EKD im Einzelnen tun, um zur Versöhnung beizutragen?

Petra Bosse-Huber: In Odessa, dieser schönen und weltoffenen Stadt, ist es zu den furchtbaren Prügeleien und Verbrennungen gekommen, so dass es einen regelrechten kollektiven Trauerschock gibt. Daraufhin hat sich in der lutherischen Gemeinde ein kleines Projekt gebildet, das von "Brot für die Welt" und "Kirchen helfen Kirchen" unterstützt wird. Es bietet elementare Traumabearbeitung nach den massiven Gewalterfahrungen an.

Welche weiteren Hilfsangebote gibt es von Seiten der deutschen evangelischen Kirchen?

Petra Bosse-Huber: Man kann sich kaum vorstellen, wie verunsichert die Menschen in der Ukraine sind. Fragen wie: Was kommt auf uns zu? Wie instabil ist diese Gesellschaft? Haben die Wahlen tatsächlich zum Frieden beigetragen? Ist die Idee, über einen Oligarchen wieder Sicherheit und Stabilität herzustellen, ein Weg in die Zukunft?, beschäftigen die Menschen und werden auch in den evangelischen Gemeinden, in Kiew oder in Odessa, gestellt. Da versuchen wir, Räume zum Austausch zu fördern, ohne dass man Gewalt oder Zensur befürchten muss. In der Zeit der Proteste und der gewaltsamen Auseinandersetzungen in Kiew gab es zum Beispiel in der St. Katharinengemeinde ein geheimes Lazarett und auch eine Anlaufstelle, in der man sich aufwärmen und mit Informationen versorgen, sich auch spirituell stärken konnte. Wir dürfen uns das nicht zu institutionell vorstellen. Es sind engagierte Christen vor Ort, die versuchen, solche geschützten Räume zu schaffen.

Bislang hatte jeder ukrainische Präsident eine kirchenpolitische Ausrichtung. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Wahl Petro Poroschenkos?

Petra Bosse-Huber: Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Jedenfalls sind die Einschätzungen aus der Ukraine sehr unterschiedlich. Es gibt zum Beispiel die kritische Frage, ob friedfertige Oligarchen das sind, was das Land jetzt braucht. Die Nähe zum Putin-Konzept, also ein starker mächtiger Mann, der damit auch die Sicherheit und Stabilität im Land vorwärtsbringen soll, ist groß. Da höre ich kritische Nachfragen. Ich hoffe sehr, dass diese Wahl beiträgt zu einer Stabilisierung der Ukraine, denn alles andere wäre grauenhaft, auch für die beteiligten Kirchen.

Das Gespräch führte Kathrin Jütte am 3. Juni 2014.

Seit Januar 2014 ist Petra Bosse-Huber die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Vizepräsidentin des EKD-Kirchenamts und Leiterin des Amtes der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK).

Thomas Gerlach: Die Politik der Patriarchen

Petra Bosse-Huber

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