Ein Tänzchen wagen

Protestanten sollten die Reformation guten Gewissens feiern
Am 31. Oktober 2017 sollten die Protestanten mit ihren Gästen, Angehörigen anderer Kirchen und Religionsgemeinschaften, feiern und tanzen.

Im Schwäbischen sagt man: "Katholisch ist gut leben, evangelisch ist gut sterben." Ursprünglich gaben evangelische Württemberger ihren römisch-katholischen Landsleuten damit zu verstehen: Man stirbt leichter, wenn man allein auf Christus vertraut und nicht auf die eigenen Werke. Aber indirekt macht die Redensart deutlich: Katholiken können besser feiern als Protestanten. Und dass dies auch nördlich des Mains so ist, zeigt die innerevangelische Diskussion darüber, wie man das Reformationsjubiläum 2017 begehen soll.

Kürzlich mahnte ein Landesbischof, man solle in drei Jahren "keine Protestantenparty" feiern, sondern "dass Jesus Christus selbst die Kirche reformiert". Als ob das eine das andere ausschlösse! Gott wirkt nun einmal durch Menschen. Am 31. Oktober 1517 hat ein Einzelner, Martin Luther, die mächtigsten Herrscher der damaligen Welt, Kaiser und Papst, herausgefordert. Und seine Zivilcourage hat eine Bewegung entfacht, die Kirche und Gesellschaft verändert hat, zunächst in Deutschland und dann weltweit. Wenn das, zumindest für Protestanten, kein Grund für eine Party, eine fröhliche Feier ist.

Natürlich war Luther ein Kind seiner Zeit. So wäre ihm im heutigen Protestantismus vieles fremd, ja zuwider, die Ökumene mit den Katholiken und der Dialog mit den Juden, die Ordination von Frauen und Schwulen. Aber indirekt gehen diese Neuerungen auf die Reformation zurück. Denn sie wurden nicht durch Bischöfe verordnet, sondern beschlossen von Synoden, in denen Laien die Mehrheit haben. Solche Gremien sind in lutherischen Kirchen zwar erst ab dem 19. Jahrhundert entstanden. Aber schon Luther hatte die Kirchenleitung Laien anvertraut. Damals wurde der jeweilige evangelische Landesherr Oberster Bischof (summus episcopus) seiner Landeskirche.

Dass Protestanten sich schwer tun, 2017 zu feiern, wird häufig mit der Rücksicht auf die römisch-katholische Schwesterkirche bemäntelt. Natürlich fallen dort kritische Äußerungen. So hat kürzlich der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Alois Glück in einem Interview mit dem Informationsdienst der Deutschen Evangelischen Allianz (idea) gesagt: "Die Reformation ist für mich kein Grund zu feiern." Und danach gefragt, wie Protestanten und Katholiken die "zentrale Reformationsfeier" miteinander begehen sollten, regte Glück einen "gemeinsamen Bußgottesdienst" an.

"Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit", weiß die Bibel. Und am 31. Oktober 2017 sollten die Protestanten mit ihren Gästen, Angehörigen anderer Kirchen und Religionsgemeinschaften, feiern und tanzen. Aber hat die Reformation nicht die Kirche gespalten? Die Reformationsbotschafterin der EKD Margot Käßmann hat in der "Frankfurter Rundschau" präzise beschrieben, was damals geschehen ist: "Die abendländische Kirche hat sich im 16. Jahrhundert ausdifferenziert." Ja, die Vielfalt der Konfessionen spiegelt unterschiedliche religiöse Bedürfnisse und Interpretationen der christlichen Botschaft. Und diese können sich gegenseitig bereichern. Schon lange singen Katholiken Lutherchoräle, und Protestanten haben entdeckt, dass der Gottesdienst nicht nur das Ohr ansprechen muss, sondern auch das Auge. Und warum soll nicht eines Tages ein evangelischer Pfarrer in der Ferienzeit die Priesterin der römisch-katholischen Nachbargemeinde vertreten dürfen und umgekehrt?

Ulrich H. J. Körtner: Impulse für gemeinsame Zukunft

Jürgen Wandel

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