Der Realität stellen

Demokratie muss sich und ihren Freunden die Möglichkeit zur Verteidigung geben
Foto: privat
Wer einfache Lösungen für komplexe Probleme propagiert, handelt populistisch und moralisch fragwürdig, meint Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag.

Wir leben in Deutschland seit fast 70 Jahren in Frieden. Doch immer gab es auch in dieser langen Friedensphase bewaffnete Konflikte vor unserer Haustür in Europa. Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ist ebenso ein Beleg dafür wie die aktuelle Krise in der Ukraine.

Militärische Auseinandersetzungen bleiben somit Realität. Dieser müssen wir uns gemeinsam mit unseren Partnern auf der europäischen und internationalen Bühne stellen. Denn echte Konflikte können wir nur gemeinsam meistern. Ich denke hier in erster Linie an die Europäische Union und die Nato. Wir leben in einer Gemeinschaft mit gemeinsamen Zielen und Werten. Und diese Wertegemeinschaft muss eine wehrhafte Demokratie sein. Hierzu gehört, dass wir für uns und unseren Freunden und Verbündeten die Möglichkeit schaffen, sich effektiv zu verteidigen. Martin Luther King Jr. hat einmal gesagt: "Those who love peace must learn to organize as effectively as those who love war.” Der deutsche Staat und seine Bürger zählen sich zu denjenigen, die den Frieden wertschätzen.

Klar ist, Rüstungslieferungen an unsere Nato-Partner müssen bei Vorliegen der Voraussetzungen unserer restriktiven Rüstungsexportkontrollpolitik möglich sein. Auch wenn wir es manchmal vergessen: Die Nato ist nicht nur ein Verteidigungsbündnis auf dem Papier. Sie ist eine der wichtigsten Versicherungen, die unser Land hat: Keiner wünscht sich, dass wir sie tatsächlich brauchen. Aber wenn wir sie brauchen, können wir froh sein, dass es sie gibt. In der Nato werden von allen Partnern Beiträge erwartet. Jedes Mitglied hat sich verpflichtet, einen Angriff auf einen Mitgliedstaat als Angriff auf sich selbst zu betrachten und dem Angegriffenen zur Seite zu stehen. Wir können zur Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses mit unserem Rüstungs-Know-how einen wichtigen Beitrag leisten. Wenn man davon ausgeht, dass jeder Rüstungsexport in einen Nato-Mitgliedstaat dessen Verteidigungsfähigkeit erhöht, verringert er damit auch die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs auf dieses Land.

Genauer müssen wir hinschauen, wenn wir den Bereich unserer westlichen Bündnispartner verlassen. Auch außerhalb der Nato-Staaten kann es sinnvoll sein, Länder zu unterstützen und Rüstungsexporte nach Einzelfallprüfung zu ermöglichen. Ich denke zum Beispiel an Partnerländer, die sich selbst äußeren Bedrohungen ausgesetzt sehen oder eine wichtige Rolle bei der Eingrenzung terroristischer Gefahren spielen. Doch diese Entscheidungen müssen wir sorgfältig abwägen!

Übrigens, bei der Definition von Rüstungsgütern muss man genauer hinschauen. Oftmals werden Rüstungsgüter mit Waffen gleichgesetzt - dies ist eine stark verkürzte und rechtlich unzutreffende Parallele. Der Begriff des Rüstungsgutes, wie ihn die deutsche Ausfuhrliste versteht, ist umfassend. In der Ausfuhrliste sind die Güter genannt, deren Export in Verbindung mit den Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung einer Erlaubnis bedarf. Dies betrifft dann also auch Landfahrzeuge oder elektronische Ausrüstung. Um eine zurückhaltende und restriktive Genehmigungspraxis durch das Bundesausfuhramt zu gewährleisten, hat sich die Bundesregierung auf sogenannte politische Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern verpflichtet. Kriterien sind hierbei neben anderen die Menschenrechtslage, die Einstufung als Krisenregion und die Störung der Nachhaltigkeit der Entwicklung im Empfängerland.

Vertrauen durch Rüstungsexporte

Ohne Rüstungsexporte aus Deutschland würde leider auch kein militärischer Konflikt verhindert. Im Gegenteil: Mit einer verantwortungsvollen, an klaren, restriktiven Kriterien ausgerichteten Rüstungsexportpolitik kann grundsätzlich auch Vertrauen geschaffen und in gewisser Weise Einfluss auf das Empfängerland genommen werden. Dieses Vertrauen und diesen Einfluss kann man im Zweifel auch dazu nutzen, Missstände innerhalb dieser Länder auszuschließen und Reformen anzuschieben. Allerdings sollte man auch nicht eine Politik mit erhobenem Zeigfinger machen. Unsere westlichen Werte dürfen nicht auf der ganzen Welt als allgemeingültig jedem Land aufoktroyiert werden. Wir müssen andere Wege finden. Wir stehen allerdings fest zu den unveräußerlichen Menschen- und Minderheitenrechten.

Es ist aber eine große Chance, durch stetigen Kontakt mit den Regierungen, Bürgern und Geschäftsleuten vor Ort in einen Austausch zu treten und unsere Vorstellungen und Werte zu bewerben. Menschenrechte, Bürgerrechte und Rechte zur Gleichstellung von Mann und Frau sind noch nicht in allen Ländern ähnlich liberal ausgestaltet, wie dies in der westlichen Hemisphäre der Fall ist.

Durch unseren Einfluss auf die Wirtschaft tragen wir somit gerade zur Öffnung und dem Austausch zwischen den Ländern und Menschen bei.

Politik, insbesondere Sicherheitspolitik, ist nicht offen für Schwarz-Weiß-Malerei. Wer aber einfache Lösungen für komplexe Probleme propagiert, handelt populistisch und moralisch fragwürdig.

So begreift die Partei "Die Linke" zum Beispiel das moralische Dilemma, in welches sie ein "Generelles Nein zu Kriegseinsätzen" bugsiert hat, immer noch nicht. Denn "Nein" bedeutet auch "Nein zu einer Friedensmission in Uganda", wo bis zu einer Millionen Menschen innerhalb von 100 Tagen umgebracht wurden.

Dies sind die Realitäten, denen wir uns in diesen Tagen stellen müssen. Wir dürfen nicht demokratischen Staaten, die sich mit Hilfe deutscher Güter schützen wollen, die Tür vor der Nase zuschlagen. Bei den Exporten müssen wir vordringlich unsere außen- und sicherheitspolitischen Interessen beachten, die Gesamtlage der Region, das Kräftegleichgewicht, ob das zu beliefernde Land stabil ist, friedfertig und unser Partner, beispielsweise im Kampf gegen den Terrorismus. Der Friede in der jeweiligen Region hat hier für uns eine zentrale Bedeutung!

Gleichzeitig müssen wir die Vorbehalte gegen Rüstungsexporte ernst nehmen und immer im Blick behalten, ob wir Sicherheitsbelangen und Schutzbedürfnissen angemessen Rechnung tragen. Gerade deshalb haben wir den Bundestagsbeschluss vom 8. Mai herbeigeführt, mit dem Titel: "Mehr Transparenz bei Rüstungsexportentscheidungen sicherstellen". Denn eine effektive Kontrolle der Rüstungsexportentscheidungen lässt sich nur durch regelmäßige Information von Parlament und Öffentlichkeit gewährleisten. Wir wollen mit diesem Antrag mehr Transparenz bei Rüstungsexportentscheidungen sicherstellen. Ein Vorhaben, das ich voll und ganz unterstütze und das ich mit formuliert habe. Die entscheidenden Verbesserungen in diesem Antrag sind, dass der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung künftig noch vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause des Folgejahres veröffentlicht und um einen Halbjahresbericht ergänzt werden soll. Auch dies wird helfen, mehr Transparenz und ein schnelleres Berichtswesen in Bezug auf Rüstungsexportentscheidungen für den Deutschen Bundestag und die Öffentlichkeit herbeizuführen. Diese Forderungen haben wir in unseren Koalitionsvertrag geschrieben und dafür setzen wir uns ein!

Paul Russmann: Beitrag zur Nichtfriedfertigkeit

Michael Fuchs

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