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Mazzy Star meldet sich zurück
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Elegant, frei, endlos lange und seltsam melancholisch. Somnambule Laszivität voller Verlorenheit und Ankunft im Nirgendwo, die niemals landen wird. Hier ist sie zugleich Timbre und ein Zuhause.

In der Wüste ist bekanntlich nichts los, aber dort kann eine Menge passieren. Jesus zog sich nicht von ungefähr dahin zurück, bevor er seinen Weg begann. Die Weite des Wassers und ihre grandiose Ereignislosigkeit fokussieren offenbar so ähnlich, nicht umsonst zieht es uns fast magisch ans Meer: Wo wir uns verlieren, finden wir uns mitunter auch. Und über all dieser vollen Leere schwebt die Stimme von Hope Sandoval und hält sich wie ein Albatros in der Luft.

Elegant, frei, endlos lange und seltsam melancholisch. Somnambule Laszivität voller Verlorenheit und Ankunft im Nirgendwo, die niemals landen wird. Hier ist sie zugleich Timbre und ein Zuhause, getragen von David Robacks einfühlsamem Gitarrenspiel zwischen Meditation und Neo-Psychedelik, die ihn schon in den Achtzigern bei der Band "Rain Parade" mitten im Paisley Underground von Los Angeles auszeichnete, stabilem Blues und fragilem Folk. Roback und Sandoval bilden das Duo Mazzy Star, das sich nun nach siebzehn Jahren mit den zehn Songs von "Seasons Of Your Day" erstmals wieder mit einem Album zurückmeldet, insgesamt erst ihr viertes. Eindringlich, zugleich verhalten, mollgewandt sehnsuchtsvoll bis ins Schmerzhafte, trotzdem angekommen. Das ist typisch für sie. Dichte Sinnlichkeit der Verlorenheit - ganz aus der Zeit, zugleich deren Herzschlag. Mitgeholfen haben die inzwischen verstorbene Folklegende Bert Jansch, einst Gitarrist bei Pentangle, My-Bloody-Valentine-Drummer Colm Ó Ciósóig und ein paar andere.

In voller Bandbesetzung sind sie immer dann, wo der Song das braucht. Fraglos richtig stets auch die Instrumentierung: Orgel im Opener "In the Kingdom", Cello und Xylophon im zerbrechlichen Titelsong, schwebende Pedal Steel im hymnischen "Lay Myself Down". In "Spoon" erleben wir Roback und Jansch auf dem Dach der Welt, wo sich ihre Gitarrenkaskaden von Gipfel zu Gipfel zugleich Echo und Herausforderung sind, Call and Response als Steigerung, so ungemein verdichtet wie die Luft dort dünn ist. Seelenthermik, auf der sich Sandoval in frappierende Innensphären schraubt. Das abschließende "Flying Low" ist dann echter Höhepunkt auf einer ohnehin starken Platte: Sandoval schmiegt sich an die slidende Bluesgitarre wie ans Traumpferd, die Rhythmussektion holpert souverän über einen sternfunkelnden See und findet mit geschlossenen Augen jeden Stein.

Das Bluesschema dazu nackt, fast roh, eine Mundharmonika löst Sandoval ab, und Robacks Gitarre perlt effektgenau durchs Wüstengewitter, hat Twang, Hall und dieselben merkwürdigen Tupfer wie schon zu seinen "Rain Parade"-Zeiten. Dieser Sound ist pure Wirkung, nie opulent, immer reich und inszeniert Musik als mystische Erfahrung an den Elementen von Desert und Seele als verführerische Einzelgängerin entlang. Ganze Tage lassen sich damit verbringen, Nächte sowieso.

Mazzy Star - Seasons Of Your Day. Rhymes Of An Hour/Rough Trade 2013.

Udo Feist

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