Wipfel-Musik

Debüt-CD des Lao Xao Trios
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Bereits als Kind sang Khanh Nguyen die Volkslieder nach, die ihre Mutter ihr beibrachte. Mit dem Lao-Xao-Trio interpretiert sie diese Wurzeln auf faszinierende Weise neu.

Eine Konzertgitarre eröffnet das Album, ein paar Takte lang ist sie ganz allein. Aha, denkt man, das wird wohl ein Latin-Jazz-Stück. Doch Sekunden später setzt ein fremdartiger Gesang ein, und man erkennt den Irrtum: Das hier ist keine Musik, die sich in eine gängige Schublade einordnen lässt. Und Latin-Jazz ist das schon gar nicht.

Khanh Nguyen wurde als Tochter vietnamesischer Eltern in Koblenz geboren. Bereits als Kind sang sie die Volkslieder nach, die ihre Mutter ihr beibrachte. Mit dem Lao-Xao-Trio greift die Sängerin und Perkussionistin nun auf diese Wurzeln zurück, interpretiert sie aber auf faszinierende Weise neu. Beim Studium an der Dresdner Hochschule für Musik traf sie den Cellisten Diethard Krause und den Gitarristen Stefan Wehrenpfennig - gemeinsam haben die drei etwas erschaffen, dass herrlich leicht zwischen westlichen und asiatischen Traditionen oszilliert.

Wehrenpfennig nennt unter anderen Bach, Schubert und diverse Jazz-Musiker als Bezugspunkte, und Diethard Krause ist in der Alten Musik, in der Oper, aber ebenso in modernen Genres zu Hause. Und beide haben sich hörbar intensiv mit der vietnamesischen Musik beschäftigt, zitieren und verwandeln fernöstliche Motive und Spieltechniken auf ihren westlichen Instrumenten - um im nächsten Moment wieder ganz klassisch-vertraut daher zu kommen. Eine Besonderheit ist die Stimmung der Gitarre: Die tiefe E-Saite ist mitunter um mindestens eine Oktave tiefer gestimmt und muss direkt am Steg gezupft werden, um den Ton nicht zu verschlabbern. Heraus kommt ein verblüffend bassreicher, butterweicher Sound.

Die Vielfalt der Ausdrucksfacetten ist beeindruckend, und das gilt im gleichen Maße für Khanh Nguyens Gesang: Die Stimme säuselt, quengelt, kiekst, überschlägt sich, trumpft auf und zieht sich demütig zurück.

Um das zu verstehen, muss man das Büchlein mit den (zum Glück übersetzten) Texten zu Rate ziehen. Die Debüt-CD des Trios - "Upon tree Da" - ist als Konzeptalbum angelegt. Vom Wipfel des Baumes aus schweift der Blick über die mannigfaltigen Erscheinungsformen der Liebe, die sich im Klang der Reistrommel, im zierlichen Bambus am Rande des Teiches, im Flug des Vogels Sáo oder in einem wilden Ritt äußert; ein Rappe wird die Braut sicher nach Hause tragen. Ende gut, alles gut: Der Betrachter steigt beglückt wieder von seinem Ausguck auf dem Baum herunter.

Lao Xao Trio - Upon tree Da. Heideck Records HD 20122.

Ralf Neite

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