Schmerzensmann

Scott Matthews "Unlearned"
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Ein intensiv intimes Mixed-Tape der Aneignung.

Das schwarzweiße Coverfoto wirkt, als entstamme Scott Matthew einem Jesus-Film: Die Augen geschlossen, die Brauen schwarz und dicht wie der volle Bart, die Aufnahme aureolisch von Licht verwischt. Matthew zeigte mit bisher drei Alben ein unverwechselbares Gesicht: Pathetisch gehauchter, doch nie kalkuliert wirkender Gesang, berührende, hochemotionale, sehr persönliche Songs in üppig aufwühlenden Arrangements, obwohl deren Instrumentierung oft eher schmal ist.

"Folkpop-Caruso" nannte ihn mal ein Freund, traf damit aber auch Schwarzes: So wie man sich nämlich sorgt, wenn einem Nahestehende plötzlich nur noch Caruso-Arien hören, ist es auch alarmierend, wenn im Übermaß Scott Matthew genossen wird. Kommt es doch wie stets auf die Dosierung an, und die hat es bei diesem punkerprobten, von der Oper inspirierten Singer/Songwriter aus Australien, der seit fast zwanzig Jahren in New York lebt, in sich. Gespannt durfte man darum sein nunmehr viertes Album "Unlearned" erwarten, für das er sich nur fremdes Material auswählte. Vierzehn Songs von Radiohead bis Joy Division, Rod Stewart und Kris Kristofferson.

Das Ergebnis fasziniert: unter der Maßgabe von ganz persönlicher Anverwandlung dreht Matthew sie mit seinen Mitteln durch den Wolf dessen, was ihm diese Songs als Kind und Jugendlicher bedeutet und gegeben haben. Anders gesagt: Ein intensiv intimes Mixed-Tape der Aneignung. In diesem Sinne ist auch "Unlearned" gemeint. So wie es in einem seiner Songs mal heißt: "When friendship becomes family, it helps me with the mystery." In den Liner-Notes formuliert er es so: "Diese Songs sind Trost, Freunde."

Kongeniale Musiker - unter anderen der deutsche Gitarrist Jürgen Stark, M. Eugene Lemcio an Orgel, Piano und Bass und Spencer Cobrin am Schlagzeug (mit ihm bildete Matthew einmal das Alternativpop-Duo Elva Snow) - helfen dem mitunter auch als "Schmerzensmann" geschmähten, bis zum Kern der teils so noch nie gehörten, nur geahnten Güte des Materials vorzudringen. So ersteht Whitney Houstons eher flundrige R'n'B-Nummer "I Wanna Dance With Somebody" als Urbild einer Sehnsuchtsode. Ungestreckter Stoff - und indem er "Love Will Tear Us Apart" von Joy Division Geschwindigkeit und Härte nimmt, stürzt man hier nun wirklich ins Bodenlose.

Fast versöhnlich kommt da schon "Darklands" von "The Jesus and Mary Chain" daher, denn zum finsteren Adoleszenztrauma ("I'm going to the darklands/To talk in rhyme/With my chaotic soul") rollt ein vitaler Beat. Trotzdem möchte man Scott Matthew glauben: "Ein Trost, solch wunderbare Songs zu Freunden zu haben."

Scott Matthew - Unlearned. Glitterhouse/Indigo 2013.

Udo Feist

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