Eine Perle der Natur

Ein Punktum
Foto: privat
Fest steht, dass eine nackte Brust selbst gestandene Männer einschüchtern kann. Eine kleine historische Rückschau belegt das.

Brust raus, forderten Dänemarks Mütter kürzlich in einer Protestaktion in Kopenhagen. Überall nämlich nähmen die Orte mit explizitem Still-Verbot merklich zu. In immer mehr Cafés, Schwimmbädern, Warenhäusern und Zoos ist es Müttern im Lande untersagt, ihren Spross zu nähren und kulinarisch zu befrieden. Das Schamgefühl anderer Gäste sei ein hohes Gut und habe Vorrang. Dabei werden Bikinis doch knapper, Tops transparenter, Hosenbünde tiefer.

Viele Menschen finden nun, es sei etwas faul im Staate Dänemark, für sie ist es das Selbstverständlichste und Natürlichste der Welt: Der Säugling bedarf der Nahrungszufuhr, er muss essen, und zwar von der Brust in den Mund, dort, wo Mutti nun gerade steht, sitzt oder liegt. Doch offenbar gibt es Leute, die sich durch eine nackte Brust belästigt fühlen oder zumindest unangenehm berührt - wenn sie ihnen nämlich zu nahe kommt, ohne für sie bestimmt zu sein: "Soll sie doch auf Toilette gehen! Da gibt's doch so Räume."

Wir wissen nicht, ob die so Belästigten überwiegend Männer sind, doch steht fest, dass eine nackte Brust selbst gestandene Männer einschüchtern kann. Eine kleine historische Rückschau belegt das. Vinland (Neufundland) um 1000 nach Christus: Beim zarten Versuch der Wikinger, Nordamerika zu besiedeln, greifen einheimische Inuit die Nordmänner an. Keiner der bärtigen Seefahrer sieht sich in der Kompetenz, die skrailinge (Deutsch: Schwächlinge) aufzuhalten. Es bedarf einer Frau, die Angreifer abzuwehren: Freydis Eriksdóttir, Tochter Eriks des Roten, entblößt ihre Brust und schlägt mit einem blitzenden Schwert darauf. Und die Inuit sind von der nackten Bedrohung derart verängstigt, dass sie die Flucht ergreifen. Soweit die Saga.

Auch bei den Nordmännern hat dies wohl ein Trauma verursacht. Jüngst wurde es durch die blanken Waffen junger Femen-Kriegerinnen noch einmal virulent. Die Lehre daraus: Auch die säugende Brust sollte männergemütskompatibel dargeboten werden. In der Werbung etwa sind Brüste ja längst ein schlagendes Verkaufsargument, sie locken zum Autokauf, zum Biergenuss oder zum Kinobesuch. Da lässt sich ansetzen. Warum nicht den Schreckensreiz mit Dingen verknüpfen, die Männern Freude machen? So könnte sich doch das nuckelnde Baby an dem Bier freuen, das in Mamas Bauchnabel prickelt. Aus dem Off gluckst eine Kinderstimme wahlweise: "Mamas Brust - Eine Perle der Natur!" oder "Da weiß man, was man hat". Oder die Motorhaube würde nach rasanter Fahrt zum vorgewärmten Stillplatz. "Technik, die begeistert" stünde in markanten Schriftzeichen darüber. Oder: "Damit auch Ihr Baby wieder kraftvoll zubeißen, äh saugen kann."

Katharina Lübke

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