Ist Oper Luxus? Zu groß, zu üppig, zu unverständlich, zu elitär, zu teuer? Was soll ein Haus, das so aussieht wie ein normales Theater mit Parkett und Rängen, mit Vorhängen und Vorstellungen, nur dass die Darsteller in diesem Fall auf die Bühne treten, um zu singen? Von Liebe und Tod, von Lust und Laster, vom Schmerz und von der Sehnsucht nach Leben. Von Dingen also, die genauso gut im Fernsehen, im Kino zu besichtigen sind. Kann, soll sie also weg - die Oper, dieser mit öffentlichem Steuergeld alimentierte Luxus für elitäre Kulturzirkel?
Da kann man schon ins Grübeln geraten. Zunächst freilich weniger über die Oper als vielmehr darüber, wie über sie geredet, gedacht, geschrieben, gelästert wird. Hier und heute. Mit Worten, die sich das Ressentiment bei sich selbst geborgt hat, bei der Gesinnung, die nichts zu wissen, die nur zu meinen braucht. Dies aber kräftig und deftig. Ungefähr so: Schulen und Schwimmbäder sind löbliche Einrichtungen "für viele", wohingegen die Oper nur "für wenige" da ist, für eine "kleine Minderheit". Und damit es auch jeder richtig versteht, wie's gemeint ist, werden Opernhaus und Opernbetrieb als "Klientelkultur für Reiche", als "Heilige Kuh" für "elitäre Kulturzirkel" in den Orkus gewünscht und geschrieben. KW-Vermerk. Kann wegfallen. -
Maßlos übertrieben? Schön wär's. Entnommen ist die Stilblütenlese einem seit vergangenen Oktober vor sich hinkochenden Internet-Blog mit dem unmissverständlichen Kampagnennamen "Zukunft statt Oper". Wie bitte? Wo wird so vollendet gefaselt? In Kleinkleckersdorf, in Hintertupfingen? - Wieder kalt. Der zitierte Vorgang (tatsächlich ziemlich einmalig, wenn auch, wie zu befürchten steht, keineswegs letztmalig) entstammt dem kommunalen Leben der Stadt Bonn. Diese liegt am Rhein, war lange Bundeshauptstadt und hat eine Oper. Nur eben nicht mehr lange, wenn es so läuft wie die örtliche Piratenpartei die Dinge gerade einfädelt. Drei ihrer Mitglieder haben ein "Bürgerbegehren" mit dem Ziel angezettelt, der städtischen Oper den Hahn zuzudrehen.
Dass die Idee zur Opernschließung den Piraten ausgerechnet nach einem Opernbesuch gekommen ist, gehört dabei zu den Absurditäten dieser Kampagne. Eine, die so sehr mit dem Mittel der suggestiven Desinformation arbeitet, dass sich die Stadtratsparteien einschließlich der Linken gemeinsam von diesem "groben Unfug" distanziert haben. Was die Piraten nicht anficht. Unbekümmert betreiben sie eine Unterschriftensammlung mit dem Ziel, der städtischen Oper die Zuschüsse zu streichen. Diagnose: "Schulen vergammeln, Bäder sollen geschlossen werden." Therapie: Der "Zuschuss-Wahn" (für die Oper) "muss aufhören".
Dass der Pirat die Oper nicht mag, geht in Ordnung. Dass er keine Ahnung hat, woher sie kommt, wie sie funktioniert, was sie bewirkt und wie sie zusammenhängt mit dem Ganzen der Kultur und der Wirtschaft, dass sie selber ein Wirtschaftsfaktor ist (mit Ausbildungsberufen für Chor, Orchester, Ensemble, Technik und Verwaltung) - dies allerdings sollte man dem Piraten nicht durchgehen lassen. Warum etwa weiß er nicht, dass jeder Euro, der in die Oper, der ins Theater geht, siebenmal wieder ausgegeben wird? Kann nicht sein? Einfach mal Umwegrentabilität googeln, lieber Pirat. Natürlich nur, wenn's nicht zu beschwerlich ist, wenn's nicht abhält vom Scharfmachen des Enterhakens.
Georg Beck