Ins Paradies

Pappano veredelt Rossinis Messe
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"Lieber Gott - voilà, nun ist diese arme kleine Messe beendet. Ist es wirklich heilige Musik (musique sacrée), die ich gemacht habe, oder ist es vermaledeite Musik (sacrée musique)?"

Gioacchino Rossini war gerade erst 37 Jahre alt, als er nach dem Wilhelm Tell sein Opernschaffen für beendet erklärte. Tatsächlich schrieb er danach nur noch kleinere Werke, bis er in seinen letzten Lebensjahren neuen Schaffensdrang entwickelte. Die letzte Komposition davon war die größte - jedenfalls, was den Umfang des Werkes und seine Bedeutung angeht. Die Petite messe solennelle (kleine festliche Messe), fertiggestellt 1867, ein Jahr vor Rossinis Tod, ist weder klein noch eine Sünde, sondern großartige Musik.

Liegt es am Understatement des Titels, dass die Petite messe bis heute verhältnismäßig selten aufgeführt und eher unterschätzt wird? Vielleicht ändert sich das nun. Antonio Pappano, ein 1959 in London geborener Dirigent mit italienischen Wurzeln, hat 2011 schon Rossinis anderes geistliches Großwerk Stabat Mater erfolgreich aufgenommen, damals mit Anna Netrebko und Joyce DiDonato als Solistinnen. Nun wendet er sich der Missa Solemnis zu, zwar nicht mit ganz so berühmten Namen an der Seite, aber dennoch einem erlesenen Ensemble: Marina Rebeka, Sopran, Sara Mingardo, Alt, Francesco Meli, Tenor, und Alex Esposito, Bass.

Für die Einspielung der Messe vertraute er der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom, deren Chefdirigent er seit 2005 ist. Unter seiner Stabführung finden Orchester und Chor eine Haltung, die vortrefflich die von der Oper entlehnte Rossini-Emphase in einen spirituellen Kontext einbindet. Schon der Eröffnungschor im Kyrie hat Gänsehautqualität.

Die Auftritte der Solisten und Solistinnen sind ohne Ausnahme Glanzpunkte. Zu Beginn dominieren die Männerstimmen, ihr Duo im Gloria strahlt eine aufrechte Würde aus. Der Schluss des Werkes gehört dafür Marina Rebeka und Sara Mingardo, die das "O salutaris hostis" und das Agnus Dei sanft, ja mehr noch: wahrhaft liebevoll interpretieren. Übrigens hat Rossini damals vergeblich den Papst um die Erlaubnis ersucht, in der Kirche Frauenstimmen zu verwenden. Wie schön, dass er das Werk trotzdem in dieser Form geschrieben hat.

Neben die Schlusstakte des Agnus Dei schrieb Rossini: "Lieber Gott - voilà, nun ist diese arme kleine Messe beendet. Ist es wirklich heilige Musik (musique sacrée), die ich gemacht habe, oder ist es vermaledeite Musik (sacrée musique)? Ich wurde für die Opera buffa geboren, das weißt Du wohl! Wenig Wissen, ein bisschen Herz, das ist alles. Sei also gepriesen und gewähre mir das Paradies." Wenn der Rezensent etwas dazu sagen dürfte, dann dieses: Für die Petite messe hätte Rossini es verdient.

Rossini - Petite messe solennelle. EMI Classics 4 16742 2.

Ralf Neite

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