Bajuwarische Wertschätzung
Wer uninformiert ist und etwas nicht versteht, greift zu einfachen Erklärungen. Und wer etwas verbockt hat, macht andere für seinen Misserfolg verantwortlich. Solch menschliches, allzu menschliches Verhalten war auch bei den Synoden zu beobachten, die Anfang November in Düsseldorf tagten.
Bayerns Altministerpräsident Günter Beckstein wurde nicht wie erwartetet zum Präses der EKD-Synode gewählt. Für ein paar Christdemokraten und konservative Medien bewies dies die rot-grüne Ausrichtung der EKD. In einem Interview mit dem Bayerischen Fernsehen hatte Beckstein die Linie vorgegeben: "Die Farbenlehre der evangelischen Kirche" sei, dass "an der Spitze rosarot bis feuerrot vertreten ist und pastellgrün bis tiefgrün, aber weiß-blau und schwarz ist nicht vorgesehen."
Beckstein und seine Freunde unterschlagen, dass eines der höchsten Ämter der EKD, das des Bevollmächtigten bei den Organen des Bundes und der EU, vierzehn Jahre lang, bis 2013 "schwarz" besetzt war. Stefan Reimers war cdu-Abgeordneter in Hamburger Bürgerschaft und Bundestag gewesen und sein Nachfolger Bernhard Felmberg Bundesgeschäftsführer des Evangelischen Arbeitskreises der Union. Aber als Bevollmächtigte der EKD hatten sie deren Interesse und das Wohl von Menschen im Auge, nicht Parteipolitik.
Mit der Behauptung, dass selbst "weiß-blau" nicht EKD-kompatibel sei, wollte Beckstein offensichtlich die Zuschauer des Bayerischen Fernsehens für sich einnehmen. Statt seiner war ja eine Preußin, Irmgard Schwaetzer aus Berlin, zur Präses gewählt worden. Doch sie passt nicht in Becksteins Farbenlehre. Immerhin gehört sie einer Partei an, mit der Becksteins CSU bis vor kurzem koaliert hat. Und "weiß-blau" kam in Düsseldorf mit Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zum Zug. Er wurde in den Rat der EKD gewählt, was manche Beobachter als Vorzeichen für die Wahl des neuen Ratsvorsitzenden in zwei Jahren bewerteten.
Günter Beckstein ist witzig, politisch erfahren und theologisch interessiert. Und sein Amt als Vizepräses der EKD-Synode übte er so gut aus, dass er für die Nachfolge von Präses Katrin Göring-Eckardt als gesetzt galt. Dass Beckstein trotzdem nicht gewählt wurde, hat er sich selber zuzuschreiben. Denn bei der Synode der VELKD, die kurz vor der EKD-Synode tagte, hatte er gesagt: "Wir brauchen lutherische Theologie in der EKD, nicht nur Gundlach-Theologie." Thies Gundlach ist einer der drei theologischen Vizepräsidenten des EKD-Kirchenamtes.
Als Beckstein bei der Pressekonferenz auf seine Äußerung angesprochen wurde, entschuldigte er sich damit, er habe nicht gewusst, dass bei der Synodentagung Journalisten anwesend gewesen seien, und er schätze Gundlach. Bajuwarische Politiker haben, so scheint es, eine besondere Art, Wertschätzung auszudrücken, aber von dem Bewerber für ein hohes Kirchenamt wird erwartet, dass er seine Zunge im Zaum halten kann.
Mit dem ersten Teil seines Satzes sprach Günter Beckstein seinen Mitsynodalen sicher aus dem Herzen. Denn die VELKD, zu der sieben Landeskirchen gehören, möchte lutherische Theologie in die EKD einbringen. Vor sechs Jahren rückten EKD und VELKD durch das "Verbindungsmodell" einander näher. Das "Kirchenamt" der VELKD zog innerhalb von Hannover um und wurde als "Amt" der VELKD in das Kirchenamt der EKD integriert. Die Synoden von EKD und VELKD tagen nicht mehr getrennt, sondern zeitversetzt am selben Ort. Und die Synodalen der VELKD sind zugleich Mitglied der EKD-Synode. Auf dieselbe Weise mit der EKD verbunden ist die UEK, der zehn unierte und zwei reformierte Landeskirchen angehören.
Im vergangenen Jahr hatte die Synode der VELKD eine Evaluation des Verbindungsmodells beschlossen. Die Ergebnisse stellte Ilse Junkermann in Düsseldorf vor. Für das Verbindungsmodell spricht danach, dass der Catholica-Beauftragte der VELKD, Bischof Friedrich Weber, seinen Bericht vor den Synoden von VELKD und UEK abgibt. Positiv bewerteten die Befragten auch die gemeinsame Arbeit von VELKD und UEK an den Gottesdienstordnungen. Kritisiert wurden dagegen die Stellung des VELKD-Amtes im EKD-Kirchenamt und der Zeitaufwand der Synodalen. Die VELKD-Synode dauert drei und die EKD-Synode vier Tage. Und da diejenigen, die beiden Gremien angehören, oft auch Landessynodale sind, wird die Geduld von Arbeitgebern stark strapaziert.
Günter Beckstein beklagte in der VELKD-Synode, die Evangelische Kirche in Deutschland habe sich durch das Verbindungsmodell "nullkommanull verändert". Nicht nur er, sondern auch seine Mitsynodalen dürften die Hoffnung teilen, die der scheidende Vorsitzende des UEK-Präsidiums Ulrich Fischer in Düsseldorf äußerte, dass die Weiterentwicklung des Verbindungsmodells "alle", EKD, UEK und VELKD, "verändert". Die VELKD-Synode beschloss, "das Verbindungsmodell zu vertiefter und verdichteter Gemeinschaft" zu entwickeln. Wie das aussieht, sollen bis zu den Synodaltagungen im kommenden Herbst eine gemeinsame Steuerungsgruppe der drei Beteiligten und Projektgruppen der VELKD klären. Aber dabei ist für den Leitenden Bischof der VELKD Gerhard Ulrich eines klar: Die VELKD muss auch über 2014 hinaus Kirche und Körperschaft des öffentlichen Rechtes bleiben.
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Jürgen Wandel
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