"Das geht zu weit"

Altbischof Wolfgang Huber verlässt Facebook
Foto: dapd
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Facebook stellt derzeit alle Mitgliedskonten auf das neue System "Timeline" um. Kein Eintrag geht mehr verloren, ein Online-Tagebuch über Jahrzehnte entsteht. Altbischof Wolfgang Huber, Mitherausgeber von zeitzeichen, hat vor diesem Hintergrund sein Facebook-Konto gelöscht.

zeitzeichen:

Herr Huber, Sie haben vor kurzem ihre Mitgliedschaft bei Facebook beendet. Was ist der Grund?

Wolfgang Huber:

Facebook vollzieht mit der zwangsweisen Einführung von "Timeline" einen Schritt, den ich nicht billige. Jede Freundschaft, jeder familiäre und persönliche Eintrag wird dauerhaft dokumentiert und kann abgerufen werden, egal, ob die Wirklichkeit längst eine andere ist oder nicht. Die Verfügungsgewalt über die einmal in Facebook eingestellten Daten geht für alle Zeit an den Internetkonzern über. Das halte ich mit der Wahrung der Persönlichkeitsrechte für nicht mehr vereinbar. Geht es Ihnen dabei tatsächlich um ihre persönlichen Daten oder eher um einen demonstrativen Schritt?

Wolfgang Huber:

Es geht mir weniger um meine eigenen Einträge. Ich habe Facebook eher als Informationsquelle genutzt, mich über die Mitteilungen anderer gefreut und ihnen zum Geburtstag gratuliert, selber aber vergleichsweise wenige Einträge formuliert. Ich gehöre nicht zu der Generation, die die Social Networks als Hauptkommunikationsmittel nutzt. Das tun aber die jungen Freunde, die mich vor zwei Jahren dazu brachten, überhaupt Mitglied bei Facebook zu werden. Sie dokumentieren dort tatsächlich auch wichtige Entwicklungen ihrer persönlichen Biografie.

Sie müssten es nicht tun, denn jeder kann selbst entscheiden, welche Daten er bei Facebook veröffentlicht.

Wolfgang Huber:

Aber sie sind mittlerweile nahezu auf die Mitgliedschaft bei Facebook angewiesen, weil zum Beispiel die Absprachen in einem Studentenwohnheim heutzutage fast nur über Facebook laufen. Deshalb bleibt auch derjenige, der das neue Format nicht mitmachen will, bei Facebook. Damit missbraucht das Unternehmen seine Monopolstellung - und das vor allem aus ökonomischen Gründen.

Es gibt auch eine wachsende Zahl kirchlicher Angebote bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken im Internet. Halten Sie das für ein grundsätzliches Problem?

Wolfgang Huber:

Ich warne kirchliche Institutionen und Vertreter nicht grundsätzlich vor einem Engagement in den Social Media. Aber sie wären meines Erachtens gut beraten, sich mit den Auswirkungen von dem, was Facebook jetzt tut, auseinanderzusetzen und in die öffentliche Debatte einzusteigen. Die fehlende Möglichkeit, Daten wieder zu löschen und der damit zusammenhängende Anspruch Facebooks auf die Verfügung über die persönlichen Daten der Nutzer - das geht zu weit. Gegen diese Machtanmaßung von Facebook sollte die Kirche klar Stellung beziehen.

Sollte sie vor Gericht klagen?

Wolfgang Huber:

Der erste Schritt ist immer die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Welche Möglichkeit der rechtlichen Einschränkung es gibt, ist noch eine offene Frage. Es wird ja in der Diskussion zu Recht darauf hingewiesen, dass das Thema Facebook nicht mehr auf der nationalstaatlichen Ebene allein verhandelt werden kann, sondern auf der internationalen, beispielsweise bei den G20. Es geht hier immerhin um Vorgänge, die rund 850 Millionen Menschen weltweit unmittelbar betreffen. Ein Rechtsverfahren in einem einzelnen Staat ist sicherlich nicht ausreichend, um diese Fragen zu klären. Die Fragen stellte Stephan Kosch.

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