Maria evangelisch

Religiöse Perspektiven
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Maria kennen evangelische Christen aus der Weihnachtsgeschichte - als Mutter Jesu. Was darüber hinaus noch über sie im Neuen Testament steht oder gar aus dem Alten Testament auf sie verweist, wissen wenige. Selbst das Magnifikat, das Lobgebet der Maria, kommt nur noch in der selten gebrauchten Vesper-Liturgie vor.

Angesichts römisch-katholischer Mariologie und tief verwurzelter Marienfrömmigkeit wirke die evangelische Besinnung auf Maria dürftig bis ignorant, schreibt der Autor Thomas A. Seidel. Doch seine an die Mystik anknüpfenden Wiederbelebungsversuche einer evangelischen Marienverehrung bergen umgekehrt die Gefahr einer Überhöhung Mariens. Der ist der andere Herausgeber des Buches, Ulrich Schacht, der sich an der Mariendichtung ergötzt, recht nahe gekommen,

der Band enthält allerdings gut informierende Beiträge aus verschiedenen religiösen Perspektiven. Sehr schön schreibt der jüdische Autor Alan Posener von der "jüdischen Miriam", die unabhängig von allen Dogmen und Ehrentiteln "eine ganz außergewöhnliche Gestalt der Weltgeschichte" bleibe. Über die Geschichte der Marienverehrung klären sowohl Walter Jungbauer aus alt-katholischer Sicht und Marie-Elisabeth Lüdde aus evangelischer auf. Erst das Konzil von Ephesus 431 hatte nämlich als Konsequenz aus den christologischen Entscheidungen Maria das Prädikat der Gottesmutter zugesprochen. Daraufhin wurde in Rom die Kathedrale Santa Maria Maggiore erbaut, in der zum ersten Mal als selbstständige "Heilige" in einem Mosaik dargestellt wurde.

Für die Alt-Katholiken sind die Konzilien nach der Kirchenspaltung von 1054 ohne bindende Kraft. Noch weniger die päpstlichen Bullen, mit denen im 19. Jahrhundert weitere Marien-Dogmen verkündet wurden. Das gilt ohnehin für die Protestanten, deren Marien-verehrung sich an Luthers Auslegung des Magnifikat aus dem Lukasevange-lium orientiert. Deren Textabdruck bildet einen wichtigen Teil des vorliegenden Buches. Doch der Schatz, den sie enthält, wird nur unzureichend gehoben. Auch wenn man den Herausgebern ein ökumenisches Anliegen zugutehalten möchte, lässt sich nicht leugnen, dass Luthers Magnifikat-Auslegung von 1521 seine ganze reformatorische Lehre in nuce enthält. Damit verliert Maria zwar ihre kleidsame Aureole, wird aber andererseits zum einzigartigen Vorbild für den evangelischen Glauben. Der Glaube nämlich schaut auf Maria, "die aus Freude an Gottes Güte sich zu seinem Werkzeug machen ließ", hat Günter Brakelmann einmal geschrieben. Dass sie die Mutter Jesus Christi wird, ist Gnade, nicht Verdienst oder Würdigkeit. So wird Maria zur Wegweiserin zu Gott, indem sie uns lehrt, ihn allein "groß zu machen" (Luther).

Nach Brakelmann enthält Luthers Magnifikat-Auslegung zudem "eine kleine theologische Ethik des Politischen", die ihr "befreiungstheologische" Qualität verleihe. Davon ist in dem Band wenig zu lesen. Er orientiert sich vielmehr an der ikonographischen und literarisch-liturgischen Marientradition. Dies wird nicht zuletzt durch die geschmackvolle Ausstattung des Buches und die vielen farbigen Mariendarstellungen verschiedener Epochen unterstrichen. Das entspricht zwar Seidels Anliegen einer "bildtheologischen" Betrachtung Mariens, doch leider sind die Bilder etwas unsystematisch im Buch verteilt.

Thomas A. Seidel/Ulrich Schacht (Hg.): Maria. Evangelisch. Evangelische Verlagsanstalt/Bonifatius Verlag, Leipzig/ Paderborn 2011, 269 Seiten, Euro 19,80.

Götz Planer-Friedrich

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