Geigenwerkstatt

Neues Kalendarium
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Die "KlangBilder" folgen dem Entstehungsprozess einer Geige, der mit der Suche nach Tonholz beginnt und nach fünfzig Zwischenschritten mit dem Blick auf die nächste Geige endet.

Was der Geigenbaumeister und Diplomingenieur Martin Schleske hier vorlegt, ist ein Kalendertagebuch - aus 52 thematisch gestalteten Wochen, die Tag für Tag den Jahren 2012 bis 2018 zugeordnet sind. Die darin verarbeiteten Texte verhehlen nicht, dass sie aus Schleskes umfangreichem Gleichnisbuch "Der Klang" wie die Pigmente für den Geigenlack aus den Farbwurzeln "herausgewaschen" sind. Und was für eine Sprachkraft tritt in diesen Essenzen zu Tage!

Die "KlangBilder" folgen dem Entstehungsprozess einer Geige, der mit der Suche nach Tonholz beginnt und nach fünfzig Zwischenschritten mit dem Blick auf die nächste Geige endet. Dazwischen werden die zahlreichen - schwierigen und leidvollen - Werdestufen der Geige und des Menschen beeindruckend formuliert und ins Bild gesetzt. Für jeden Tag ist aus dem "Klang" ein kleines, in sich verständliches Textstück ausgewählt, das zum Nach- und Weiterdenken anregt.

Jede Woche beginnt mit einem etwas ausführlicheren Meditationstext, der das Thema anschlägt. Auf der gegenüberliegenden Buchseite findet sich ein dazu hervorragend passendes Foto, das von Donata Wenders aufgenommen wurde. Die kleineren Texte für die folgenden Wochentage kommentieren, entfalten und ergänzen jeweils den Hauptgedanken.

Das sowohl für den eigenen Glauben als auch für die kirchliche Verkündigung Inspirierende daran ist die Tatsache, dass Martin Schleske in einer Zeit, in der viele nach einer Sprache suchen, in der sie (noch) von Gott reden können, den Geigenbau als eine sprudelnde Metaphernquelle für das Leben vor und mit Gott entdeckt hat. Darin kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass jeder Mensch dazu bestimmt sei, ein Instrument mit einem ganz eigenen Klang zu werden, und dass Gott wie ein Geigenbaumeister an ihm arbeite - auch und gerade an dessen schwierigem, von Stürmen und anderen Unbilden verdrehtem und verknotetem "Reaktionsholz". Dass der Mensch dabei nicht willenloses Material ist, sondern sich diesem Wirken öffnen oder verschließen kann, wird von Schleske immer wieder betont.

Ich hatte zunächst "Der Klang" gelesen und war davon so fasziniert, dass ich es mehrfach verschenkt habe, auch an Menschen, die eher einen Zugang zu Musik und Naturwissenschaft haben als zu Religion und Glauben. Vermutlich wird, wer sich erst einmal mit den komprimierteren "KlangBildern" beschäftigt, von selbst neugierig werden, den "Klang" zu lesen und zu hören. Die "KlangBilder" leisten der Neugier freilich insofern keinen Vorschub, als die Kurztexte nicht mit Seitenzahlen versehen sind, die als Wegweiser dorthin dienen könnten. Vielleicht hätte man das auch als störend oder aufdringlich empfunden. Wenn sich jemand an die Herrnhuter Losungen und ihr Verhältnis zur Bibel erinnert fühlt, kann ich das nachvollziehen. Auch bei ihnen kann an dem aus seinem Zusammenhang herausgenommenen Text etwas fehlen, was zum Verstehen wichtig wäre. Andererseits kann die genaue Betrachtung des Details Neues, bisher Überlesenes sichtbar machen und zugleich zur Lektüre des größeren Zusammenhanges animieren.

Ein ansprechendes Geschenk, um sich selbst oder andere zu beschenken, bei dem der Einstieg in das Kalendertagebuch an jedem Tag möglich ist.

Martin Schleske: KlangBilder: Werkstattgedanken. Kösel-Verlag, München 2011, 224 Seiten, Euro 19,99.

Wilfried Härle

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