Beim Wort

Neue Lyrik
Bild
An Geschehnisse, die fest mit ihrer Lebensgeschichte und mit der Landschaft ihrer Herkunft verbunden sind, an das Grauen von Flucht, Trauer und Leid und ihr unaufhörliches Nachbeben bis in die Gegenwart hinein, schließen sich Passagen an, die das reiche menschliche wie künstlerische Potenzial der Autorin bezeugen - und trotz aller "Atem-Not" doch Kraft zu neuem Atem schenken.

Sie zählt zu den namhaften Schriftstellerinnen dieser Jahre. Beleg dafür ist Eva Zellers umfangreiches literarisches Lebenswerk - ihre Lyrik mit dem unverwechselbaren Ton. Ihr eigen ist denn auch eine ureigene Genealogie in ihren Gedichten: Da ist der Kosmos der Natur, der sie auf dem Gutshof der Großmutter umgibt, und da ist der Kosmos der Weltliteratur, in den sie von Kindheit an hineinwächst: Josef von Eichendorff und Theodor Fontane, Hölderlin und Rainer Maria Rilke. Später kommt die Bewunderung für Gottfried Benn und Paul Celan, Ernst Meister, Günter Eich und andere hinzu.

Außer im Epigramm oder der Ballade, im lyrischen Porträt oder dem Naturgedicht zeigt sich die besondere Vielfalt ihrer Sprache vor allem in der religiösen Lyrik - einer lyrischen Gattung, für die heutzutage nur noch wenige Namen stehen. Eva Zeller jedoch besitzt die Fähigkeit, immer wieder Aussagen, Motive und Figuren biblischer Texte in die Zeit hinein zu übersetzen und in der Welt auf neue und originelle Weise Gestalt werden zu lassen.

Auch der neueste Gedichtband Was mich betrifft folgt diesem Grundmuster: An Geschehnisse, die fest mit ihrer Lebensgeschichte und mit der Landschaft ihrer Herkunft verbunden sind, an das Grauen von Flucht, Trauer und Leid und ihr unaufhörliches Nachbeben bis in die Gegenwart hinein, schließen sich Passagen an, die das reiche menschliche wie künstlerische Potenzial der Autorin bezeugen - und trotz aller "Atem-Not" doch Kraft zu neuem Atem schenken. So redet auch die Ballade Die Stufen des Himmels von diesem so verletzbaren irdischen Leben wie das feinsinnige Gedenken an Caspar David Friedrich oder Vincent van Gogh. Und dabei geht es ums Weiterleben - etwa im Angesicht von Guernica oder auch im Angesicht des Jüngsten Gerichts.

Eva Zeller entfaltet in der zeitgenössischen Zunft von Lyrikerinnen und Lyrikern eine einmalige Aussagekraft, denn sie bleibt nicht in der Beschwörung von Finsternis und Untergang stecken. Sie hat zum Glück einen Anker, der sie hält. Denn lange vorher schon hat sie von ihrem Gewährsmann und "Sprachgesell" Paul Gerhardt gelern, dass Glaube und Zweifel, Atemnot und Zuversicht zusammengehören. Dass ein Wunder geschieht, wenn man nicht leichtfertig und ungeduldig mit dem Wort umgeht, sondern das Wort beim Wort nimmt.

In einer Zeit, in der sich die lyrische Kunst oft auf Nonsense und Geplapper reduziert, gehören Mut und Souveränität dazu, sich des einmaligen Schatzes an Überlieferung und eigener Überzeugung nicht zu schämen. Das bedeutet nicht, nur im Vorgestern zu schwelgen und die Augen vor den Herausforderungen des Heute und Morgen zu verschließen.

Die Gedichte von Eva Zeller sind ein beredtes Zeugnis dafür, dass die Ausdruckskraft einer umfassenden Bildung und die Wahrnehmung einer ebenso traditionsbewussten wie gesprächsbereiten Kultur den großen Bogen der Zeit nicht auftrennen müssen, sondern ihn in alle Modalitäten der Zeit hinein neu aufrichten und auch für die Zukunft öffnen können. Was man auch immer als Bilder, Gleichnisse und Metaphern für die Poesie der Eva Zeller heranziehen mag - ihre Gedichte wirken wie ein Saitenspiel, wie Serenaden und wie die Psalmen Davids, auf der Harfe zu spielen.

Eva Zeller: Was mich betrifft. Verlag Sankt Michaelsbund, München 2011, 119 Seiten, Euro 11,90.

Richard Riess

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Kultur"