Laut und schön

Die Trompeterin Helseth
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Tine Thing Helseth nimmt Lieder von Rachmaninov, Sibelius, Richard Strauss, Korngold, Grieg, Weill und anderen, und ersetzt deren Worte durch ihr Spiel.

Klassische Trompeterinnen und Trompeter stehen vor einem Problem: Es gibt - zumal im Vergleich zu Klavier oder Geige - nur ein winziges Repertoire, aus dem sie schöpfen können. Im Barock spielte die Trompete noch eine größere Rolle, auch Konzerte wurden für sie geschrieben. Aber danach, in der Klassik, bekam sie selten und allenfalls in kurzen Soloparts noch tragende Rollen. Schon gar nicht in der Kammermusik; im Miteinander der Instrumente ist sie einfach zu laut. Unter dem Strich bleibt festzustellen: Erst im Jazz hat dieses fantastische Instrument die zentrale Position erhalten, das ihm aufgrund seines ungeheuren Dynamik- und Ausdrucksspektrums gebührt.

Was aber tun, wenn das Herz für die Klassik schlägt? Die junge Norwegerin Tine Thing Helseth hat für ihr Debüt bei der EMI einfach eine ganze CD aufgenommen, die ursprünglich gar nicht für ihr Instrument, sondern für die menschliche Stimme geschrieben wurde. So wird die Trompete zum Storyteller, wie die Scheibe betitelt ist.

Tine Thing Helseth nimmt Lieder von Rachmaninov, Sibelius, Richard Strauss, Korngold, Grieg, Weill und anderen, und ersetzt deren Worte durch ihr Spiel. Einerseits versuche sie, die Geschichten klanglich nachzuerzählen, sagt die 24-Jährige. Andererseits verdiene es die Musik auch, für sich zu stehen, ohne dass Worte einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der thematische Kern all dieser Lieder ist die Liebe, was natürlich ein großes emotionales Potenzial bietet, das die Musikerin auch feinfühlig auslotet. Allerdings bergen die Transkriptionen dieser Auswahl durchaus die Gefahr, ins Kitschige abzudriften. Tine Thing Helseth gerät an einigen Stellen in diese Falle.

Aber Geschichten erzählen kann sie, das muss man ihr lassen. Es sei schwieriger, das Publikum mit einer schlichten Melodie einzunehmen als mit einem technischen Bravourstück, sagt die Musikerin. Diese Kunst beherrscht sie auf das Schönste, sie füllt sie mit einem faszinierend samtigen Ton aus. Besonders in den Grieg-Liedern aus "Das Kind der Berge" kommt diese Qualität zum Tragen, weil hier im Unterschied zu den anderen Stücken kein Orchester da ist, um einen schicken Klangteppich zu weben. Nur das von Havard Gimse gespielte Klavier übernimmt die Begleitung, und dann kann Traurigkeit so bodenlos schön klingen, wenn Tine Thing Helseth mit ihrer Trompete davon singt.

Tine Thing Helseth - Storyteller. Rachmaninov, Korngold, Grieg u.a. Mit dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra. EMI Classics.

Ralf Neite

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