Fremd und nahezu unkontrollierbar

Gespräch mit dem Literaturwissenschaftler Uwe Lindemann über Wüstenbilder in der Literatur von der Antike bis in die Gegenwart
Uwe Lindemann
Uwe Lindemann
Uwe Lindemann (45) arbeitet am Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Bochum. Einer seiner Schwerpunkte sind Landschaftsbilder in der Literatur seit der Antike. Promoviert hat der Literaturwissenschaftler über Wüstenvorstellungen von der Antike bis zur Gegenwart.

zeitzeichen: Herr Dr. Lindemann, im Altertum hatte die Wüste keinen guten Ruf. Es gibt aber eine Ausnahme: das alte Israel. Dort gilt die Wüste nicht mehr nur als Symbol für die Unterwelt und Ort der Heimsuchung, sondern als Ort der göttlichen Offenbarung. Wie ist diese Differenz zu verstehen?

Uwe Lindemann:

Die Wüstenschilderungen im Alten Testament sind in die Heilsgeschichte Israels eingebettet und werden durch den Auszug aus Ägypten eingeleitet: der Exodus als Befreiungsakt aus der Sklaverei und die Zehn Gebote am Berg Sinai als neue Verpflichtung gegenüber einem monotheistischen Gott. Der Aufenthalt in der Wüste ist dreifach konnotiert: einerseits Tod und Zerstörung, andererseits - im Verhältnis zu den ägyptischen Verfolgern - Zufluchtsort. Drittens: Ort der göttlichen Lebenserhaltung; Gott sorgt hier für das Volk Israel. Alle drei Momente sind gleichzeitig präsent. Dabei ist die Negation in der Wüste - die Wüste als Ort von Tod und Verderben - Voraussetzung für das Positive, dass ein neuer Bund mit Gott geschlossen werden kann. Bei den Propheten, insbesondere bei Hosea und Jesaja, setzt sich dann die positive Sicht auf die Wüste durch. Sie interpretieren die Zeit Israels in der Wüste als eine Zeit der Gottesnähe - im 2. Mosebuch ist das Erleben der Wüste gar nicht so sehr das zentrale Moment.

Was eine Wüste ist, wird ein Literaturwissenschaftler anders als ein Religionswissenschaftler beantworten. Was antworten Sie?

Uwe Lindemann:

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich darauf keine Antwort habe. Man kann von unterschiedlichen Disziplinen aus unterschiedliche Antworten auf diese Frage geben, die Geografie gibt eine andere als die Meteorologie, die Theologie eine andere als die Literaturwissenschaft. Auch sind die Sichten auf die Wüste kulturell bedingt. Im Islam hat die Wüste zum Beispiel eine ganz andere Bedeutung als im Christentum. Für Muslime ist sie ein Ort des Durchgangs von einer Stadt zur nächsten. Hier gibt es nicht die christliche Sicht, bei der ein Aufenthalt in der Wüste mit religiösen Erfahrungen verbunden ist. Und schließlich gibt es historische Veränderungen bei der Sicht auf die Wüste: vom alten Ägypten, wo die Wüste als Ort der Toten gilt, bis in die Gegenwart: die Wüste als Lieferant eines schönen Landschaftserlebnisses mit einem Barbecue. Kurz: Die Wüste ist ein relationaler Begriff, dessen Bedeutung davon abhängt, worauf er bezogen wird. Das ist der Grund, warum er vielfältig besetzbar ist, offen für alle möglichen Zuschreibungen und Imaginationen.

Wie lässt sich der Übergang von gewissermaßen erfahrungsgestützten Wertungen der Wüste zu rein symbolischen erklären?

Uwe Lindemann:

Nun, einen Übergang im strengen Sinn kann es nicht geben, weil der reale Ort immer schon symbolisch interpretiert wird. Das Erfahrungssubstrat Wüste ist symbolisch kodiert oder symbolisch überformt. Auf das Abendland bezogen kann man sagen, dass das Wissen über die Wüste über viele Jahrhunderte sehr gering ist und lange Zeit nicht anwächst. Im Gegenteil, ab dem Mittelalter geht es sogar allmählich zurück. Im mittelalterlichen Wissen wird das, was man aus der Antike weiß, immer wieder reproduziert, so dass bestimmte symbolische Zuschreibungen ein noch größeres Gewicht gewinnen. Dazu kommt ein sprachliches Problem. Als Latein zur Gelehrtensprache wird, hat man Schwierigkeiten mit dem Wüstenbegriff.

Warum? Was bedeutet denn die Wüste im Lateinischen?

Uwe Lindemann:

Es gibt im Lateinischen nicht weniger als fünf Begriffe für Wüste. Jeder dieser fünf Begriffe bezeichnet ganz unterschiedliche Aspekte. Im Unterschied zum heutigen Sprachgebrauch, in dem der Begriff Wüste bestimmte Vorstellungen hervorruft, spielt im Lateinischen der Kontext, in dem das Wort gebraucht wird, eine entscheidende Rolle. Deserta könnte man mit Verlassenheiten übersetzen, solitudines mit Einsamkeiten, harena sterilis als unfruchtbares Trockensein und vastitas mit Wüstheit oder Unermeßlichkeit. Diese Begriffe bezeichnen ein Verhältnis des Menschen zur Wüste oder ihre phänomenalen Qualitäten. Zu den vier Wörtern des klassischen Lateins kommt im Spätlatein ein fünftes hinzu: eremus. Ein spezifisch christlicher Begriff für Wüste, in dem das Eremitentum und die Askese mit der Wüste verbunden wird. Diese fünf unterschiedlichen Begriffe bezeichnen etwas Unterschiedliches und machen unterschiedliche symbolische Zuschreibungen möglich.

Es gibt also unterschiedliche Traditionen der Wüstenbilder?

Uwe Lindemann:

Wir haben seit der Antike zwei Traditionen. Zum einen die griechische Geschichtsschreibung und Literatur. Seit die Argonauten in der Wüste ihr Schiff zwölf Tage lang durch die Wüste transportieren mussten, weiß die griechische Literatur etwas über die Wüste: Dort ist es gefährlich, und man kann verdursten. Man kann in der Wüste nur mit Hilfe der Götter überleben und von einem Ort zum anderen kommen. Zum anderen gibt es die jüdisch-christliche Tradition mit der Bibel und dem Kirchenväterschrifttum. In der Spätantike entsteht das Problem, griechisches Gedankengut, teilweise auch griechisch geprägtes theologisches Gedankengut mit einer realen Erfahrung der Wüste abzugleichen, die jedoch immer schon spirituell konnotiert ist.

Wer formuliert das in der Antike als erster?

Uwe Lindemann:

Das macht aus meiner Sicht der Kirchenvater Origines (185 bis 254) als einer der ersten. Er legt den Exodus der Israeliten neu aus und interpretiert die Reise der Israeliten durch die Wüste als einen spirituellen Erfahrungsweg, eine Anleitung zur Gottseligkeit, eine Annäherung an Gott. Er ist der entscheidende Vermittler, der diese Vorstellung für die spätere theologische Tradition attraktiv macht. Dazu kommt die negative Theologie, die eine große Rolle spielt: Die Wüste als ein Bild des Nichts bietet sich geradezu dazu an, Gott negativ zu beschreiben, zum Beispiel als das Unendlich-Weite.

In der mittelalterlichen Mystik wird die Wüste vollends zum symbolischen Ort der Gottesnähe. Doch auch hier lassen sich Unterschiede ausmachen, etwa zwischen einer ekstatischen mystischen Erfahrung der Gottesnähe und einem eher denkerischen Zugang.

Uwe Lindemann:

Wenn man Meister Eckhart als Philosoph ernst nimmt, zeigt sich, dass bei ihm der Wüstenbegriff ein philosophischer Terminus ist. Er bezeichnet die Einheit Gottes. Dieser Wüstenbegriff ist tatsächlich jeglicher Phänomenalität entkleidet, er bezeichnet als Chiffre den Grund Gottes in seiner Einheit.

Gibt es einen für den Protestantismus charakteristischen Umgang mit der Wüstensymbolik?

Uwe Lindemann:

Das Interessante an der protestantischen Wüstensymbolik ist die Ablehnung der mönchischen und asketischen Traditionen. Martin Luther sagt an einer Stelle: "Denn die Güter, über welche die geistliche Freude entsteht, werden nicht an diesem oder jenem Ort, Werk oder Tage gefunden." Das heißt, die Wüste kann kein privilegierter Ort der Gotteserfahrung sein. Diese Entkleidung des Wüstenbegriffs von mönchischen, asketischen und vor allem eremitischen Traditionen führt dazu, dass Luther und Calvin wieder die Wüstensymbolik aus dem Alten Testament übernehmen können und auf die Situation der protestantischen Kirche generell übertragen. Gerade weil man der Welt, für die aus protestantischer Sicht die katholische Kirche steht, flieht, ist die Wüste der Ort, an dem man unmittelbar Gott erfahren kann.

Die Hugenotten feiern noch heute jedes Jahr ihr Wüstenfest. Bei ihnen ist die Wüste tatsächlich der Ort, in den sie getrieben wurden, oder?

Uwe Lindemann:

Auch bei den Hugenotten stand die Wüste für die Stätten fern der Zivilisation. Nach dem Widerruf des Edikts von Nantes, der den Hugenotten für fast ein Jahrhundert weitgehende Religionsfreiheit garantiert hatte, flieht ein Großteil der Hugenotten aus Frankreich. Die wenigen verbleibenden Hugenotten stehen ohne geistliches Dach oder Führer dar. Es gibt keine legale Möglichkeit, Gottesdienste zu feiern, und so zieht man sich in Wälder zurück und gründet die Eglises du désert, Wüstenkirchen. Es erfolgt tatsächlich eine Rückbesinnung auf das frühe Christentum.

Wann tauchte das Wüstenmotiv in der mitteleuropäischen profanen Literatur auf?

Uwe Lindemann:

Etwa Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts. Die napoleonischen Eroberungszüge in Ägypten spielen später dann eine entscheidende Rolle. Zum ersten Mal nach mehreren Jahrhunderten osmanischer Herrschaft haben zahlreiche europäische Forscher und Künstler einen unmittelbaren Zugang zur Wüste. Das dokumentieren die umfangreichen Tafelbände zu dieser Expedition, in denen man ein ganz neues und umfassendes Wissen über die Wüste finden kann. Schon in der europäischen Literatur des 18. Jahrhunderts gibt es eine allgemeine Begeisterung für das Exotische, insbesondere für den Orient. Es betrifft den Nahen Osten, den Fernen Osten, Japan, China. Die Schriftsteller, die im frühen 19. Jahrhundert in die Wüste reisen, fahren mit den Orientbildern aus dem 18. Jahrhundert im Kopf dorthin. Die stammen aus den Übersetzungen von Tausendundeine Nacht, die sehr folgenreich für das kulturelle Bild des Orients im Abendland waren. Sie reisen also mit diesen opulenten, reichen Orientbildern und treffen dort auf eine Kultur, die sich in großen Teilen ganz anders erweist: Sie ist ärmlich, rückständig und alles andere als opulent.

Was folgt aus diesen Reisen für die literarischen Wüstenbilder?

Uwe Lindemann:

Das, was sie von der Wüste sehen, veranlasst einen Teil der Schriftsteller, alte biblische Bilder zu aktualisieren. So schreibt etwa der französische Schriftsteller, Alphonse de Lamartine, man sehe dort die Buchstaben Gottes in die Berge eingraviert. Das ist eine große imaginative Leistung. Konterkariert wird dieses Wüstenbild durch eine zweite wichtige Wüstenerfahrung des 19. Jahrhunderts: die Langeweile. Ein anderer französischer Schriftsteller, Théophile Gautier, schreibt nur einen Satz über die Wüste in seiner Orientreise: Er habe nicht gedacht, dass sie so trocken sei. Das ist alles. Die Wüste ist uninteressant.

Doch die frühen Orientreisenden haben die Begeisterung für den Orient keineswegs gestoppt, sie bleibt ein entscheidendes Motiv der Literatur im 19. Jahrhundert. Wie ist das zu erklären?

Uwe Lindemann:

Das, was man in Europa glaubt, über die Wüste zu wissen, ist europäisch erzeugtes Wissen. Wenn man nicht weiß, was eine Wüste ist, hat das den unschlagbaren Vorteil, dass man sich alles dazu ausdenken kann. Das geht schon früh bei den Fabelwesen los, die dort leben sollen. Auch lässt es sich daran erkennen, wie die Wüste ab Mitte des 19. Jahrhunderts als Landschaft entdeckt wird. Es gibt einen französischen Maler und Schriftsteller, Eugène Fromentin. Der verfasst Mitte des 19. Jahrhunderts einen Reisebericht unter dem Titel Ein Sommer in der Sahara. Dieser versucht, die Wüste tatsächlich en détail zu beschreiben. Er benutzt dabei Beschreibungsmuster für europäische Landschaften. Mit diesen Beschreibungsmustern im Kopf geht er in die Wüste, findet sie nun nicht mehr langweilig. Er komponiert aus der Wüste ein europäisiertes Landschaftsgemälde. Bei Fromentin zeigt sich: Wenn ein Europäer über die Wüste spricht, spricht er in der Regel nicht über die Wüste, sondern über das, was er mit der Wüste verbindet, das heißt letztlich über sich selbst. Die Wüste ist, wie schon gesagt, ein relationaler Begriff, der aus meiner Sicht mehr über denjenigen aussagt, der über sie spricht, als über das, was man tatsächlich dort sehen oder vorfinden kann.

Gibt es etwas, was die Wüste als literarisches Landschaftsbild von anderen Landschaftsbildern unterscheidet?

Uwe Lindemann:

Für die Wüste muss man noch mehr Imagination aufwenden als bei anderen Landschaften. Das kann man gut bei Gustave Flaubert nachlesen. Er zeigt, wie sich die Imaginationsprozesse im Verhältnis zur Wüste abspielen. In seiner Versuchung des Heiligen Antonius sitzt Antonius auf seinem Berg, es wird Nacht, er hat gefastet, ist in geistlicher Übung, bekommt Halluzinationen. Die Wüste ist hier wie eine Kinoleinwand, auf der ein imaginärer religionsgeschichtlicher Film abgespielt wird.

Wüste ist nicht immer nur Landschaft, sondern dient auch als Vehikel für eine bestimmte Philosophie oder eine Theologie. Bei Flaubert ist es immer die Obsession, die irgendwann fast im Nichts verläuft, Nietzsche setzt die Wüste auch ohne eigene Wüstenerfahrung sehr effektiv ein, um seine Philosophie zu transportieren.

Uwe Lindemann:

Bei Nietzsche ist es immer schwierig zu sagen, was jetzt philosophisches Konzept oder was Polemik ist. In der späteren Phase seines Werks gibt es die Tendenz, Nord und Süd stark zu polarisieren. Der Süden symbolisiert das Positive, was vielleicht biografisch mit seinen Genesungsreisen nach Norditalien und Sizilien ans Meer zu tun hat. Den Norden belegt er mit Metaphern wie feucht, sumpfig, krank, düster. So sah er die Philosophie, die Musik und die Literatur des Nordens. Im Süden sei man dagegen heiter, leicht, gesund, positiv fatalistisch, genießerisch und so weiter. Die Wüste wird gewissermaßen zu einem Symbol für eine trockene Heiterkeit, Bestandteil eines philosophischen Konzepts: Wüste zu schaffen durch seine Gedanken. Die feuchten Sümpfe des Nordens trocken zu legen, das ist die Idee, die dahinter steckt.

Die Wüste ist längst profanisiert. Die Motorradrallye Paris-Dakar oder auch Gruppenreisen in die Wüsten sind nichts Außergewöhnliches. Die Wüste wächst, heißt es bei Nietzsche - oder schrumpft sie im Zeitalter der Globalisierung, etwa zu einem beliebigen touristischen Ziel?

Uwe Lindemann:

Sieht man es als Klimaforscher, wächst die Wüste massiv. Gewiss, im Rahmen der Tourismusindustrie lebt die Wüste, weil man mit ihr viel Geld verdienen kann. Doch der entscheidende Punkt ist: Die Wüste wird nicht kleiner. Auch nicht symbolisch oder metaphorisch - und zwar, weil die Wüste, wie das Meer, zu den wenigen Zonen der Erde gehört, die noch immer zu großen Teilen terra incognita sind, unbekannt, fremd und nahezu unkontrollierbar.

Dennoch lässt sich die Wüste heute leichter erreichen als früher. Haben dadurch die literarischen Zeugnisse über die Wüste zugenommen?

Uwe Lindemann:

Quantitativ sicherlich, qualitativ ist die Wüste aus meiner Sicht literarisch eher unattraktiver geworden, weil man mittlerweile schon so viel darüber weiß. Der englische Patient des Kanadiers Michael Ondaatje war als großes Wüstenbuch in den vergangenen Jahren eine Ausnahme. Eine weitere: die Verfilmung von Der Himmel über der Wüste nach einem Roman von Paul Bowles, meiner Meinung nach einer der besten Wüstenromane des 20. Jahrhunderts.

Welches sind die wichtigsten Wüstentexte des 19. und 20. Jahrhunderts?

Uwe Lindemann:

Gustave Flauberts Versuchung des Heiligen Antonius ist ein ganz zentraler Text, weil er die antike Tradition aufnimmt und an ein Ende führt. Und im 20. Jahrhundert Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry - ein Kinderbuch, aber auch eine große Allegorie über Einsamkeit der Menschen in der Weltwüste der Gegenwart. Der Himmel über der Wüste habe ich schon erwähnt. Hier reagiert Bowles auf die durch den Zweiten Weltkrieg geschaffene Situation: Ein amerikanisches Ehepaar reist in die Wüste, um der europäisch-amerikanischen barbarischen Kultur zu entgehen und sich selbst zu finden. Doch in der Wüste verliert man sich erst recht: Die Frau geht in einen Harem, der Mann stirbt in der Wüste an Typhus. Und dann natürlich die phantastischen und zum Teil surrealistischen Texte des Argentiniers Jorge Luis Borges, die sich immer wieder mit der Wüste befassen. Zum Beispiel Der Unsterbliche, ein zwanzigseitiger Text, der zu großen Teilen in der Wüste spielt, aber so komplex ist, so anspielungsreich und so intelligent gemacht ist, dass ich ihn nur empfehlen kann: Die Wüste als intertextuelles Labyrinth.

Und in der deutschen Literatur?

Uwe Lindemann:

Nun, natürlich denken wir da zunächst an Karl May. Der feiert die ganzen Wüstenklischees ab. Dabei reproduziert May teilweise lediglich das Wüstenwissen aus damaligen Lexika und befördert Stereotype, auch koloniale, die weit hinter dem zurückfallen, was man um 1900 über die Wüste weiß. Auch der künstlerische Anspruch dieser Texte ist - vorsichtig ausgedrückt - eher begrenzt.

Und trotzdem haben diese Texte eine große Leserschaft gefunden und bei ihr auch wieder ein gewisses Wüstenbild kreiert.

Uwe Lindemann:

Ja, im Einklang mit den touristischen Vermarktungen, die Ende des 19. Jahrhunderts einsetzen. Wenn ich jemand einen gewissermaßen "leichteren" Wüstentext empfehlen sollte, würde ich eher Jules Vernes Fünf Wochen im Ballon nennen. Bei ihm fällt der Blick auf die Wüste wesentlich differenzierter aus. Die Ballonfahrer müssen im Verlauf der Reise immer mehr von ihrer Ausrüstung abwerfen, um noch flugfähig zu bleiben - eine schöne Metapher auch dafür, wie konkrete Erfahrung dazu zwingt, Vorurteile über Bord zu werfen.

Das Gespräch führten Kathrin Jütte und Helmut Kremers am 22. Juni 2012 in Berlin.

mehr zum Thema "Die Wüste"

Uwe Lindemann

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung