"No man is an island - Kein Mensch ist eine Insel", dieses Zitat aus einer Meditation des Dichters und Predigers John Donne wurde in den vergangenen vier Jahrhunderten zu einem geflügelten Wort und hat mit unterschiedlichen Akzentsetzungen auch Eingang in Romane und Filme gefunden. Bei Ernest Hemingway etwa, der seinem Roman Wem die Stunde schlägt das Zitat von John Donne voranstellte. Mit seiner Geschichte eines amerikanischen Kämpfers der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg wies er auf die grundsätzliche Verantwortung jedes Einzelnen für die weltweite menschliche Gemeinschaft hin. Oder in dem Film About a boy, in dem einige selbstbezogene Menschen zu der Erkenntnis kommen: Sie erleben sich zwar als Inseln, doch wenn sich Menschen zu Inselgruppen zusammentun und ihre Singularität aufgeben, gewinnen sie Kräfte, gegen ihre Depressionen, ihren Selbstbetrug und ihre Gefühle von Sinnlosigkeit an zu leben.
"Niemand ist eine Insel ganz für sich; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlands. Wenn ein Erdklumpen ins Meer gespült wird, wird Europa weniger ... Jedes Menschen Tod ist mein Verlust, denn ich bin ein Teil der Menschheit ...", so beschrieb John Donne in seiner Meditation xvii die grundsätzliche Verbundenheit aller Menschen in und durch "Gottes Hand". Ein schönes Bild, auch für uns Heutige! Es nimmt die Vorstellung des Apostels Paulus von der Verbundenheit aller getauften Christenmenschen als Glieder eines Leibes auf (1. Korinther 12,12ff ), erweitert sie aber auf alle Menschen. Weil eben alle Menschen - unabhängig von ihrem Glauben und ihrer Religion - Gottes geliebte Geschöpfe sind.
Bindung ans Festland
Kein Mensch kann ohne Beziehungsnetze leben. Nachhaltige soziale und emotionale Sicherheiten gewinnen Menschen nur in und durch Gemeinschaft mit anderen Menschen. Jeder braucht tragfähige Bindungen an ein Festland, an Menschen, die ihn tragen, und an Gott, der alles Leben und alle Menschen trägt. Deshalb ist der Mensch keine Insel.
Aber es gibt Zeiten, da braucht der Mensch eine "Insel", einen Ort und eine Zeit, für die Rilkes Inselbeschreibung gilt: "Nah ist nur Innres; alles andre fern." Auf einer Insel, fern von äußeren Ablenkungen und fern von allen Alltagsgeschäften Ruhe zu suchen, Verantwortung für eine Zeit loszulassen, das hat auch etwas mit Gottvertrauen zu tun: mit der Gewissheit nämlich, dass es ein Sorgen gibt, in das unsere Sorge eingebunden ist, und dass Gott uns nicht aufgrund unserer Arbeit, unserer Erfolge und unserer Leistungen liebt.
Wie eine Insel brauchen Menschen den Sonntag als eine Auszeit und Atempause von den Alltagsgeschäften der übrigen Wochentage. Und ebenso brauchen Menschen die Ferien als eine Auszeit und Atempause von den übrigen alltäglichen Wochen und Monaten eines Jahres. Wir brauchen Orte und Zeiten, an denen wir uns auf uns selbst und unser Inneres konzentrieren, unsere Gedanken und Gefühle ordnen und unsere Herzen neu von Gottes Wort und Gottes Geist inspirieren und ausrichten lassen. Damit wir unsere Festlandsverbindungen neu justieren und damit wir mit neuen Kräften der Aufforderung des Propheten Jesaja folgen können: "Singet dem Herrn ein neues Lied, seinen Ruhm an den Enden der Erde, die ihr auf dem Meer fahrt, und was im Meer ist, ihr Inseln und die darauf wohnen!" (Jesaja 42,10).
Nikolaus Schneider