Nahost und kein Ende

Trost oder nicht: Meistens kommt es anders, als man denkt
Foto: privat
Erinnerungen an historische Einmischungen lehren freilich nur eins: Es kommt anders, als der Gutwilligste - und glücklicherweise auch der Böswilligste - glauben mag.

1898 ritt Kaiser Wilhelm II. hoch zu Ross in Jerusalem ein. Er befand sich auf einer Art Pilgerreise durch das "Heilige Land", weihte hier etwas ein (die Erlöserkirche), ermahnte dort - in Bethlehem - die zerstrittenen Christen zu christlicher Liebe, rief die Muslime dazu auf, das ehrende Gedächtnis an den Sultan Saladin aus der Zeit der Kreuzzüge wieder zu beleben, und sagte der katholischen Gruppierung angeblicher Templer Unterstützung bei ihren Ansiedlungsbemühungen zu. Er war guten Willens und vermied gegen seine Gewohnheit die meisten Fettnäpfchen.

Theodor Herzls Werben auf Unterstützung für den Plan, einen zionistischen Staat zu schaffen, wies er allerdings zurück. Denn natürlich ging es dem frommen Pilger auch um große Politik, nämlich um gute Beziehungen zum Osmanischen Reich, gerichtet gegen das britische Empire.

Im Ersten Weltkrieg dann leitete der Archäologe und Islamfreund Max von Oppenheim (für die Nazis war er Halbjude) im AA eine Abteilung, die einen islamischen Dschihad gegen die Alliierten entfachen sollte. Das scheiterte; die Engländer investierten mehr Geld und hatten den realistischeren Zugang zur Sache: Sie versprachen den Arabern die Unabhängigkeit von den Türken und hatten in T.E. Lawrence einen gutwilligen Enthusiasten, der das Talent der Beduinen zur Guerilla mit neuen Methoden anreicherte. Nach dem Krieg teilten Engländer und Franzosen die Region unter sich auf.

Schließlich unternahmen die Nazis mit Unterstützung des fanatischen Großmufti von Jerusalem einen erfolglosen Versuch, islamische Empörung vor ihren Karren zu spannen. Der Holocaust schließlich förderte, so schrecklich dieser Zusammenhang auch ist, die Gründung des Staates Israel. Dabei wurden einheimische Araber verdrängt und vertrieben. Seitdem ist der Nahe Osten ein Vulkan, der immer schwelt und öfters ausbricht.

Zwischnüberschrift

Seit dem Sechstagekrieg 1967 ist Israel Besatzungsmacht im Westjordanland - nach historischen Maßstäben keine mörderische, aber doch eine bedrückende. Andererseits weist Israel mit Recht darauf hin, dass es von Feinden eingekreist ist, von denen nicht wenige es auf Vernichtung abgesehen haben.

Ausgerechnet ein Land, das nicht der arabischen Welt angehört, der Iran - ein schiitischer Gottesstaat, der noch von 1980 bis 1988 einen Krieg mit annähernd einer Million Toten gegen die sunnitischen Nachbarn im Irak führte -, überzieht Israel mit besonders massiven Vernichtungsandrohungen. Nur westliche Abwieglungsroutiniers interpretieren das als bloßes rhetorisches Rankenwerk. Immerhin arbeitet der Iran an einer eigenen Atombombe. Daran will Israel ihn hindern, erklärtermaßen gegebenenfalls auch durch einen Präventivschlag. Günter Grass, auch so ein Mann mit einer Vorliebe für Fettnäpfe, unterstellte in einem, nun ja, Gedicht, Israel denke dabei auch an einen Ersteinsatz der A-Bombe, über die es selbst schon verfügt.

Damit löste er, erst in Israel und dann weltweit, Empörung aus. Überhaupt waren, wie so häufig, die Reaktionen interessanter als der Anlass. Doch immerhin findet sich bei Grass ein diskussionswürdiger Vorschlag (jedenfalls, wenn man an den Nutzen von Diskussionen noch glauben will): dass sich nämlich Israel und der Iran gleichermaßen internationaler Atom-Kontrolle unterwerfen sollten. Vielleicht wäre das wirklich ein Schritt zu einem künftigen Frieden. Erinnerungen an historische Einmischungen lehren freilich nur eins: Es kommt anders, als der Gutwilligste - und glücklicherweise auch der Böswilligste - glauben mag.

Helmut Kremers

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