Glück ist Erleben

Unterhaltsame Phänomenologie
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Dieses Buch beantwortet unter anderem, wie sich zwei Thesen zueinander verhalten: Das Glück wird verfehlt, wenn es als Handlungsziel angesteuert wird; und zweitens: Alle Menschen streben nach Glück.

Glück ist keine Geschmackssache, sondern als "Happiness" eine ernste Angelegenheit. Sie wird von Michael Roth ausführlich untersucht. Seine Erkenntnis: Glück ist Erleben, wenn wir ergriffen sind von der Anmutungsqualität der Dinge des Daseins. Damit weist der Systematiker nach, dass das Schillernde am Glück nicht fade vertheologisiert werden muss. Die unterhaltsame Phänomenologie beantwortet unter anderem, wie sich zwei Thesen zueinander verhalten: Das Glück wird verfehlt, wenn es als Handlungsziel angesteuert wird; und zweitens: Alle Menschen streben nach Glück.

Im ersten Kapitel lotet der Bonner Theologieprofessor die glückstheologischen Möglichkeiten der protestantischen Tradition aus und will sich mit einer angeblich traditionell protestantischen Glücksfeindschaft nicht zufrieden geben, sondern die Glücksthematik vom Freispruch des Evangeliums her denken. So streift er den Frontenverlauf zwischen Glück und Kreuz, um im nächsten Kapitel die Selbstverständlichkeit des Glücks, seine Unverfügbarkeit und Unerkenntlichkeit wie auch Entzogenheit zu beobachten. Glück ist der vollkommenste Nebeneffekt unserer Intentionen und Handlungen, gerade wenn wir nicht danach streben, glücklich werden zu wollen. Das wird in Kapitel drei präzisiert: Wir tun dieses oder jenes nicht einfach, "um glücklich zu sein", das Glücklichsein als Handlungsziel ist jedoch nicht grundsätzlich auszuschließen. Glück ist dann eher so etwas wie der "Hintergrund" einer Handlung. Dinge, die wir aus Lust tun, tun wir, weil wir von ihnen bestimmt werden. So sind wir dann bei der Sache und werden von dem Sosein dieser Dinge in unserem Streben unterbrochen. "Wir zielen nicht aufs Glücklichsein, sondern auf Dinge des Lebens, und wir intendieren sie, weil sie so sind, wie sie sind: Wir werden von ihrer Anmutungsqualität ergriffen."

Das vierte Kapitel bilanziert, dass es Glück episodisch gibt. Dazwischen kann ein glückliches und gelingendes Leben liegen, spürbar in einzelnen Momenten des situativ gefühlten Glücks. Und Kapitel fünf beschreibt, dass und wie Glück allein in der Gegenwart zu erleben ist, "im gegenwärtigen Sich-bestimmt-Sein-Lassen durch das Dasein".

Glück ist weder strategisch zu halten noch handhabbar zu machen, sondern unverfügbar, wie das sechste Kapitel zeigt. Das Leben ist nicht abzusichern. "Kohelet" wird hier zur Gewährsinstanz für den Autor: Freue dich, an dem, was du hast, zum Beispiel an der Schwalbe: sie könnte dein Sommer sein. Denn wir können nicht kontrollieren, ob wir fähig sind, dem Dasein zu vertrauen und zu spüren, dass wir angenommen und bejaht sind. Beides aber ermöglicht erst Hingabe, gebettet in das Glück des Sein-Lassens, welches ich mir nicht zur Aufgabe setzen, sondern nur als Gabe empfangen kann.

Das letzte Kapitel fragt, "zu welchem Umgang mit den Dingen die Vertrauensbewegung des Glaubens befreit und inwiefern durch diese Befreiung" Glückserfahrung möglich ist. Glaube ist Wahrnehmung des Gewährten. Der Verlust dieser Wahrnehmung wird sündentheologisch erschlossen. Die Sünde als das Auf-sich-selbst-gerichtet-Sein verstellt das Sich-bestimmen-Lassen, denn der Mensch kann nicht von sich loslassen und bei der Sache sein. Schließlich wird die Rede vom Glück noch einmal vom Gedanken der bedingungslosen Annahme in Christus her als die Eröffnung gewährter Gegenwart bedacht. Klingt schlicht; hier aber kann man es auf außergewöhnlich eingängige wie unprätentiöse Weise entfaltet nachlesen. Eine Bereicherung.

Michael Roth: Zum Glück. Glaube und gelingendes Leben. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011, 272 Seiten, Euro 19,95.

Christina-Maria Bammel

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